Die Asarewitschs

Der Großgrundbesitzer und Leutnant zur See Jurij Jakowlewitsch Asarewitsch stammte vom Erbadel des Pensaer Gouvernements ab und wurde am 21. Februar 1883 in Moskau geboren. Er absolvierte das Kaiserliche Alexander-Lyzeum (1904), wonach er den Rang eines Titularrats der 9. Klasse erlangte und in das Ministerium für Ackerbau und Staatsbesitz eingereiht wurde. Im Mai 1904 wurde er als Junker (Offizieranwärter) in die 18. Matrosendivision aufgenommen; er nahm an den Inlandsfahrten auf dem Panzerschiff “Rühr mich nicht an”, sowie auf den Kreuzern “General-Admiral” und “Herzog von Edinburgh” teil. Am 10. Oktober wurde er zum Fähnrich befördert und als Chef der 14. Maschinenkompanie in die 7. Matrosendivision aufgenommen. Seit April 1906 diente er als Kompaniechef auf dem 127. Minenschiff, und im September desselben Jahres wurde er in den Reservedienst eingestellt und leistete den zivilen Teil seines Staatsdienstes in seinem Heimatgouvernement. Jurij Jakowlewitsch diente mehrere Jahre lang als Semstwo-Leiter des 4. Bezirks des Mokschaner Kreises. Er wurde als “ein eifriger Arbeiter und ein anständiger Mensch” charakterisiert. Er wurde mit dem Orden der Heiligen Anna 3. Grades ausgezeichnet (1912). Er hat sich aus dem Dienst auf Antrag am 12. Februar 1913 entlassen lassen.

Er erbte von seiner Mutter Olga Nikolajewna Kalatschewa Besitztümer im Mokschaner Kreis (ca. 3 340 Hektar) und im Gorodischtschchensker (ca. 1 507 Hektar) Kreis.

Als Jurij Jakowlewitsch auf seinem Landgut im Dorf Michailowka des Mokschaner Kreises wohnte, beschäftigte er sich mit der Entwicklung der Landwirtschaft, wofür er sich interessierte. Er verließ Michailowka selten. Einmal fuhr er ins Ausland und nach St. Petersburg, um sich mit den Schülern des Lyzeums zu treffen. Seit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er aus der Reserve wieder zur Marine einberufen und nahm am Wassertransport von russischen Truppen nach Frankreich und Thessaloniki, Griechenland, teil. 1916 wurde er zum Leutnant befördert und bald mit dem Orden vom Heiligen Wladimir 4. Grades ausgezeichnet. Ungefähr zu dieser Zeit heiratete er auch die Fürstin Olga Lwowna Golizyna (in der ersten Ehe: Druzkaja-Ssokolinskaja).

Nach der Machtergreifung der Bolschewiki versuchte Jurij Jakowlewitsch eine Opposition im Mokschaner Kreis zu organisieren und leitete sogar eine antirevolutionäre Organisation. Sein sehr reiches Landgut im Dorf Michailowka der Nowo-Kutlinsker Gemeinde wurde danach von der sowjetischen Regierung verstaatlicht und schließlich ausgeplündert.

Im Staatsarchiv des Pensaer Gebiets sind Unterlagen über die Annahme des Mokschaner Landguts, das J.J. Asarewitsch gehörte. Das Ausmaß der Vermögensbeschlagnahmung ist wirklich erstaunlich. Einige sind vom August 1917 datiert, und die tatsächliche Übergabe des Landguts schloss im September 1918 ab. Da seine Frau und er gerne Landwirtschaft betrieben, war das Landgut sehr gut organisiert. Es gab einen Bauernhof und eine Landwirtschaftsschule. Das Zentrum des Landguts bildete ein Holzhaus auf einem steinernen Sockel mit einem Halbgeschoss, um das herum verschiedene Nebengebäude standen: Küchen, Wäschereien, Stallungen, Eiskeller, Scheunen, Kutschställe, Schmieden, Werkstätten, Mühlen. Eine große Anzahl von Pferden und Vieh wurde namentlich beschlagnahmt. Große Listen mit Möbeln, dem verschiedenen Inventar und landwirtschaftlichen Geräten lassen weiter erstaunen. Ackerböden, Obstgärten, Wälder betrugen insgesamt ca. 5 028 Hektar ohne ca. 93 Hektar brachliegendes Unland. Dieser große Wirtschaftsorganismus wurde von 29 Arbeitern vom Meier Jewgenij Aleksandrowitsch Majorow geleitet. Man kann annehmen, dass das Landgut der Asarewitschs nicht nur sie selbst, sondern auch die gesamte Bauernbevölkerung von Michailowka und der benachbarten Dörfern beschäftigte. Darüber hinaus gehörten den Asarewitschs Landgüter in den Dörfern Muratowka und Julow des Mokschaner Kreises, sowie im Dorf Arischka des Gorodischtschensker Kreises.

Da Jurij Jakowlewitsch keine Möglichkeit hatte, sein Landgut zu schützen, floh er aus Angst vor einer Verhaftung zum Admiral Koltschak nach Sibirien. Im Februar 1919, als er den Auftrag des Obersten Regenten von Russland ausführte, zog er nach Moskau, wo er weiter blieb. Er war im Bestand der Nordwestarmee. Er wanderte nach Baltikum aus und dann nach Polen, wo er zu einem Mitglied des russischen Pflegschaftskomitees für Auswanderer wurde. 1921 war er in Berlin zusammen mit seiner Frau Olga Lwowna und seinen Töchtern. In Deutschland war er ein Mitglied der Gemeinschaftshilfe der Menschen, die bei der kaiserlichen russischen Marine gedient hatten. 1929 war er in Italien und zog dann nach Frankreich. Er war ein Mitglied der Marineversammlung in Paris und ein Mitglied des Verbands ehemaliger Schüler des Kaiser-Aleksander-Lyzeums. In der Kulturhauptstadt Europas betrieben die Asarewitschs ein Café oder eine Gaststätte. So verdienten sie Mittel zum Lebensunterhalt.

Die Frau von Jurij Jakowlewitsch Fürstin Olga Lwowna wurde am 21. Dezember 1875, nach anderen Angaben – am 3. Februar 1876 in St. Petersburg in der Familie des Fürsten Lew Lwowitsch Golizyn und Maria Michailowna Martynowa geboren. In der ersten Ehe war sie Druzkaja-Sokolinskaja, in der zweiten: Asarewitsch.

Olga Lwowna Asarewitsch

In den ersten Jahren der sowjetischen Regierung wurde Olga Lwowna hier im Pensaer Gouvernement auf schwere körperliche und moralische Proben gestellt. Nachdem alle Landgüter ausgeplündert worden waren, hatte sie nur das, was sie hat verstecken können. Dabei konnte sie sogar ihr Mann nicht unterstützen, weil er unterwegs war. Jeden Tag litt sie Hunger und Kälte, jeden Tag war sie gefährdet, sich mit Fleckfieber anzustecken. Da wohnte sie mit ihren Töchtern in verschiedenen Wohnungen in Pensa, wo sie am 16. Dezember 1919 im Falle der Bruderschaft der orthodoxen Christen vom für das Pensaer Gouvernement zuständigen TscheKa verhaftet wurde. Einige ihrer Verwandten wurden bereits von den sowjetischen Strafbehörden mit dem Tode bestraft und jetzt schwebte sie selbst zwischen Leben und Tod…

Aus den Materialien der Untersuchung. Asarewitsch, geborene Golizyna, Olga Lwowna, 43 Jahre alt, die ehemalige Adlige des Saratower Gouvernements. Der Wohnort ist Pensa, Peschaja, Haus 32, Wohnung 1. Die Beschäftigungsart ist Hausfrau. Familienstand: verheiratet, sie hatte eine Mutter und zwei Töchter dabei. Als sie nach dem Vermögensbestand gefragt wurde, antwortete sie, kein Eigentum zu haben. Parteilos. Hausausbildung. Vor dem Krieg 1914 lebte sie mit ihrem Mann auf dem Landgut Muratowka des Mokschaner Kreises des Pensaer Gouvernements. Vor der Februarrevolution 1917: ebenso. Vor der Oktoberrevolution 1917: ebenso. Von der Oktoberrevolution bis zu ihrer Verhaftung wohnte sie in Pensa und führte den Haushalt. Nicht vorbestraft.

Aus dem Verhörprotokoll. „Ich wurde als Mitglied der Bruderschaft der orthodoxen Christen der Teilnahme an der antirevolutionären Aktivität der genannten Bruderschaft beschuldigt. Zu diesem Sachverhalt kann ich Folgendes sagen: ich gehörte dem Rat der Bruderschaft nie an und führte keine Arbeit dafür durch und über diese Bruderschaft erfuhr ich zum ersten Mal nach meiner Haft in der Kommission. Ich nehme am religiösen oder politischen Leben überhaupt nicht teil, sondern beschäftige mich ausschließlich mit dem Haushalt und der Erziehung meiner Töchter. Ich kann Ihnen auch versichern, dass meine Mutter an der Bruderschaft auch nicht teilnahm, weil sie in religiösen Dingen eine Atheistin ist. Mein Mann Jurij Jakowlewitsch Asarewitsch, der ehemalige Vorsitzende der Mokschaner Kreissemstwoverwaltung, verlieβ Pensa im Juli 1918, um in Moskau einen Dienst zu suchen. Den letzten Brief von ihm bekam ich letztes Jahr vor Weihnachten, und danach habe ich keine Nachrichten mehr von ihm erhalten. In Moskau wohnt mein Bruder Wladimir, der in einer Moskauer Abtransportstelle dient. Ein anderer Bruder wohnte in Saratow, der als Geisel erschossen wurde, nachdem die Bombe in Moskau in der Leontjew-Seitenstraße explodiert hatte. (Es geht um eine Explosion, die von Anarchisten am 25. September 1919 in der Leontjew-Seitenstraße in Moskau für die Zerstörung der Führungsriege der Russischen Kommunistischen Partei der Bolschewiki verursacht wurde. Diese Handlung provozierte eine neue Runde des Roten Terrors (Sergej Selew). Die Liste der erschossenen Mitglieder der Spionageorganisation der Monarchisten bewahrte meine Mutter auf, um sie den Bekannten vorlesen zu können, soweit sie interessiert waren. Unter den Erschossenen, die in der Liste aufgeführt waren, kannte ich Topornin, Ladyschenskij, Kormilizin, Jermolajew, Ssaburow, Arbenew und Ellis. Ich habe nichts weiter zu sagen.”

Olga Lwowna teilte den Ermittlern der Bolschewiki natürlich nicht mit, dass ihr Mann Juri Jakowlewitsch in Moskau im Auftrag vom Admiral Koltschak war, deshalb wurde sie am selben Tag unter Auflagen aus der Haft entlassen. In dieser Situation vermochte sie eine Heldentat zu begehen. Sie verlieβ das Pensaer Gouvernement, das in Flammen der Revolution stand, und fuhr ins Ausland. Auβerdem half sie den anderen Vertretern des Adels zu fliehen. Unterwegs traf sie ihren Mann mit den Kindern und sie alle zusammen wanderten nach Italien aus. Der Endpunkt der Familie Asarewitschs aus Mokschan wurde das französische Nizza. Hier betrieben Olga Lwowna und Juri Jakowlewitsch lange Zeit einen kleinen Gastronomiebetrieb, wodurch sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Juri Jakowlewitsch starb am 11. November 1956. Zwei Jahre später starb seine Frau.

Aus den Memoiren des Schriftstellers Roman Gul:

“Ich erinnere mich, dass ich an diesen verfluchten Tagen Olga Lwowna Asarewitsch (in der ersten Ehe – Fürstin Druzkaja-Sokolinskaja, geborene Fürstin Golizyna) in Pensa traf. Sie hatte alles verloren, und hatte sogar kein Geld auf der Bank. Und sie hatte etwas zu verlieren: ca. 4 370 Hektar Boden im Landgut Muratowka, eine Branntweinbrennerei, eine Schafzucht, viele Pferde, Kühe und so weiter. Alles war ausgeplündert, veruntreut. Es gelang ihr wenigstens, nur einige wertvolle Gemälde dem Museum der Kunstfachschule Pensa zu übergeben, damit sie nicht verloren gingen. Aber auch in dieser schweren Situation geriet O.L. nicht in Verzweiflung. “Nun ja”, sagte sie, “Herr Gott hat gegeben, und Herr Gott hat wieder genommen.” Ich glaube nicht, dass Herr Gott jemals Latifundien verteilte und besonders damit zu tun hatte, dass sie von wütenden, wilden, betrunkenen Soldaten weggenommen wurden. Aber diese Ungebundenheit an das irdische Wohl ist meiner Meinung nach schön. Und das ist ein sehr russisches Gefühl. Ich habe gesehen, dass viele der Vermögenden in Russland es hatten. Die Russen sind eben nicht so fest bodenständig.

Im Exil, in Nizza, betrieb Olga Lwowna eine kleine Gaststätte für russische Auswanderer. Ich arbeitete Tag und Nacht, ging zum Markt, bereitete Mittag- und Abendessen für die Gaststätte zu. Sie starb in hohem Alter in Nizza.

Nie hörte man von Olga Lwowna Klagen oder Lamentationen über das ehemalige “Silber und Gold”, obwohl sie es in Hülle und Fülle besessen hatte. Aber in ihrem Leben hatte sie wie auch viele andere etwas anderes, was immer viel teurer als “Gold” und “Silber” war.

Quellen: das Staatsarchiv des Pensaer Gebiets, F. 54, V. 2, D. 3; F. 196, V. 2, D 98а; F. 158, V. 3, D. 2837, 3706, 3693; р-309, V. 1, D. 199; das Archiv des Föderalen Dienstes für Sicherheit im Pensaer Gebiet, D. № 7727-п, . 146–146 rückseitig; http://www.dk1868.ru; history/gul1_1.htm; http://russianestonia.eu.

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