Schicksale der Bauern der Olenewskaja Gemeinde

In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden vielen Bauern im Olenewsker Dorfrat Wahlrechte genommen oder die Bauern wurden entkulakisiert, was bedeutet, dass ihr Eigentum beschlagnahmt und vergemeinschaftet wurde. In erster Linie ging es dabei um Großbauern, Kaufleute, Eigentümer von landwirtschaftlichen Geräten, Bauern, die Knechte hatten, Wächter, Landpolizisten, Kirchenälteste und Lektoren. Im Jahr 1926 gab es im Zentrum der Gemeinde, im Dorf Olenewka, 21 Personen, die kein Wahlrecht hatten, viele von ihnen wurden mit Beginn der Kollektivierung entkulakisiert. In Olenewka waren unter ihnen Dmitri Iwanowitsch Remessow, Pawel Iwanowitsch Wassiljew, Grigori Nikolajewitsch Remessow, Ssemjon Nikiforowitsch Kirilin; in Ssolowzowka – Diakon Fedor Iwanowitsch Kondraschin, Pawel Andrianowitsch Karpow; in Koljupanowka – Frolows, Filippows, drei Familien der Melnikows. Hier sind einige Beispiele für Schicksale und Dokumente.

Der Einwohner von Degterewka (Teil von Solowzowka) Grigori Nikolajewitsch Remessow wurde am 10. August 1893 geboren und gehörte zur Olenewsker Gemeinschaft der Altgläubigen.

Remessow Grigori Nikolajewitsch

Mit seiner ersten Frau Paraskewa Alekseewna hatte er 2 Töchter: Lidija wurde am 3. Oktober 1918 geboren und im Jahr 1912 – Aleksandra, dieselbe Aleksandra Grigorjewna Remessowa (Kajukowa), die die Erinnerungen an Olenewka aufschrieb. Nach dem Tod seiner Frau Paraskewa heiratete Grigori Nikolajewitsch im April 1922 zum zweiten Mal, seine Frau war die junge Witwe Olga Nikolajewna Sserowa.

Im Jahr 1934 steht in einem der Dokumente über Grigori Nikolajewitsch geschrieben, dass er mit seiner Mutter in Olenewka wohnte, ein gewöhnlicher Großbauer war, Knechte hatte, sowie eine Ölschlägerei und einen Obstgarten mit 250 Bäumen. Wahlrechte wurden ihm 1931 genommen, weil sein Hof als Kulakenwirtschaft bezeichnet wurde.

1935 brachte Olga Sserowa bei dem Dorfrat eine Bitte vor, ihr den Gutshof und den Garten zur Verfügung zu stellen, die ihrem zweiten Ehemann Remessow Grigori Nikolajewitsch weggenommen wurden, dem durch den Beschluss vom 31. Januar 1934 Wahlrechte genommen wurden und der entkulakisiert wurde (er besaβ einen ziemlich großen Hof).

Grigori Nikolajewitsch Remessow mit seiner Frau. Bildaufnahme um 1915.

In ihrem Bittbrief beschrieb Olga ihr Schicksal, dass ihr selbst das Wahlrecht genommen wurde, dass sie sich 1925 scheiden ließ, aber bis 1934 mit dem Mann in einem Haus wohnte. Sie trat der Stalin-Kolchose bei und hatte Kinder: ein Kind von ihrem ersten Ehemann und zwei von Remessow. Nachdem das Bittgesuch bearbeitet worden war, verordnete das Kondolsker Bezirksexekutivkomitee, dass Serowa-Remesowa als falsch Entrechtete wieder in ihre Rechte eingesetzt werde und die Rückgabe des Gutshofes, der Remesow gehört hatte, abzulehnen.

1931 wurde der Einwohner von Olenewka Bauer Semjon Nikiforowitsch Kirilin entkulakisiert. Er wohnte in Degterewka in der Hauptstraße, war ein gläubiger Mann, ruhig, ausgeglichen, beschäftigte sich mit der Landwirtschaft.

Kirilin Semjon Nikiforowitsch mit seiner Frau

In den dreißiger Jahren, als in der Kirche von Olenewka keine Gottesdienste mehr stattgefunden hatten, fuhr er den Alten Ioann zu einem Gottesdienst nach Ssolowzowka. Semjon Nikiforowitsch und seiner Frau Anna Petrowna wurden Wahlrechte genommen und im September 1931 wurde die Familie aus dem Haus gejagt. Dies geschah, obwohl Semjon der Kolchose seit ihrer Gründung angehört hatte und bei dem Beitritt zwei Pferde, ein Fohlen, Pferdegeschirre, eine Dreschmaschine, zwei Pflüge und eine Egge abgegeben hatte – alles im Gesamtwert von 895 Rubel. Semjon hatte fünf Kinder: Grigori, Aleksei, Wiktor, Iwan und Nadeschda.

Anfang 1930 wurden Pawel Andrianowitsch Karpow, einem Einheimischen aus Ssolowzowka Bürgerrechte genommen. Sein Vater Andrian Wasiljewitsch Karpow war ein Großgrundbesitzer in Ssolowzowka, sowie Kirchenvater der Dreifaltigkeitskirche und starb kurz vor der Revolution. 1935 lebte Pawel Karpow in Pensa und reichte ein Gesuch bei dem Staatsanwalt des Teleginsker Kreisexekutivkomitees ein, das folgenden Inhalt hatte:

“Im Oktober 1934 stellte ich einen Antrag auf Wiedereinbürgerung beim Stadtrat von Pensa. Obwohl mehrere Monate vergangen sind, habe ich keine Antwort bekommen, weil das Teleginsker Kreisexekutivkomitee kein Material dazu vorliegen hat, obwohl der Stadtrat von Pensa es fünfmal angefragt hatte.

Ich bin ein Bürger des Dorfes Ssolowzowka des Olenewsker Dorfrates des Teleginsker Bezirkes. Vor der Revolution hatte mein Vater Grund, Boden und Vieh. Seit 1919 hatte ich einen mittelständischen Betrieb: ein Haus, zwei Pferde, eine Kuh. Ich bebaute das Land selbst mit meiner Familie. 1929 wurde ich entkulakisiert und in ein Arbeitslager im Norden geschickt. In der Verbannung lebte ich dreieinhalb Jahre. Im März 1933 wurde ich aus der Haft entlassen und bekam nach der Entlassung das Recht, in einer beliebigen Stadt zu wohnen. Jetzt arbeite ich die ganze Zeit in Pensa als Wachmann. Ich habe Kinder und aufgrund der Tatsache, dass ich in meinen Bürgerrechten nicht wieder eingesetzt worden bin, nimmt man jetzt meinen Sohn (er wurde 1912 geboren) nicht in die Rote Armee auf. Sonst gibt ihm auch niemand eine Beschäftigung. Die Töchter arbeiten als Schularbeiterinnen, haben Berufserfahrung von 5 bis 6 Jahren. Aber trotz der Tatsache, dass sie Berufserfahrung haben und als gute Arbeiterinnen geschätzt werden, gelten sie immer noch als Töchter eines Entrechteten.

Ich bitte Sie eindringlich, Genosse Staatsanwalt, die Absendung der Belege vom Teleginsker Kreisexekutivkomitee zu anzufordern, um unseren Fall erneut zu prüfen. An folgende Adresse: „Stadt Pensa, der Stadtrat, die Stelle der Entrechteten. 21.3. 35. Karpow”.

Da P.A. Karpow aber vor der Revolution 500 Hektar Land in Ssolowzowka, einen Pferdehof mit 30 Stück, ein Waldgrundstück von 100 Hektar, einen Schweinebetrieb mit 100 Stück und höchstens 25 ständige Arbeiter gehabt hatte, wurde ihm die Wiederherstellung der Bürgerrechte verweigert, obwohl seine Hofstelle im Januar 1920 zu einem ordentlichen Gewerbe im Sinne der Revolution erklärt wurde.

Charakteristisch ist das Schicksal des Lektors der Ssolowzowsker Kirche Fedor Iwanowitsch Kondraschin, geboren 1885. Nachdem er aus der Verbannung zurückgekehrt war, bat er am 27. Mai 1934, ihn wieder in seinen Bürgerrechten einzusetzen. Er schreibt über sich selbst: „Ich, Kondraschin, der Sohn eines Bauers, arbeitete (von klein auf bis ich 15 wurde) mit meinem Vater in der Landwirtschaft. Mein Vater hatte anteiliges Land, beschäftigte sich mit dem Ackerbau und hatte keine anderen Unternehmen.

Mit 15 Jahren ging ich von meinem Vater fort um als Lehrling eines Tischlers zu arbeiten und arbeitete von 1900 bis 1914, dann wurde ich als Soldat in den Russisch-Deutschen Krieg eingezogen. Vor der Revolution diente ich im Krieg, während der Revolution wurde ich nach Pensa beordert, um in einem Flugzeugwerk fachbezogen zu arbeiten [1], wo ich bis 1918 arbeitete. 1918 kehrte ich nach Hause in mein Dorf zurück und betrieb dort Landwirtschaft, arbeitete zu Hause bis zum Januar 1930.

Im Januar 1930 wurde ich verhaftet und mir wurden meine Stimmrechte für die Agitation gegen die Kollektivierung genommen. Durch den Beschluss der Troika OGPU (Vereinigte Staatliche Politische Verwaltung) bekam ich Tochtersiedlungen und wurde in ein Zwangsarbeiterlager geschickt (1930-1935 – Sergei Selew). Mittlweile ist meine Haftstrafe zu Ende gegangen und ich bin in meine Heimat zurückgekehrt. Deshalb bitte ich den Kreisausschuss, mich wieder in meinen Bürgerrechten einzusetzen, weil ich arbeiten möchte, um meine Familie, in der fünf kleine Kinder sind, zu versorgen. Ich bitte Sie, meinen Antrag nicht abzulehnen und mich über den Dorfrat über das Ergebnis zu meinem Fall zu informieren. Ich unterzeichne hiermit: „Kondraschin 27. Juni 1934“.

Aber dieser Antrag schien in einigen Behörden nicht überzeugend genug zu sein und offenbar schlug man ihm vor, das Bittgesuch mit einem tieferen Sinn zu versehen, sodass der Text von Reue für die „Sünden der Vergangenheit“ durchdrungen war:

“Ich bitte den Olenewsker Dorfrat, mich wieder in meinen Stimmrechten einzusetzen. Ich teile über mich selbst die folgenden Informationen mit: Ich wurde im Dorf Ssolowzowka 1885 geboren, mein Vater hatte nur eine kleinbäuerliche Wirtschaft; es gab keine eigene Kuh, aber es gab eine sogenannte „anteilige Kuh“, d.h. ein Großbauer gab einem Kleinbauer eine Jungkuh zur Fütterung, bis sie erwachsen wird und Kälber gebiert. Dann nimmt der Eigentümer die junge Kuh zu sich zurück und lässt dem Kleinbauer für die Fütterung nur die Brut.

Ich lernte singen und sang nur an Feiertagen und Sonntagen, und an Werktagen war ich von früh bis spät in der Tischlerei. So arbeitete ich als Tischler bis zum Beginn des imperialistischen Krieges. Während des Krieges diente ich in der alten Armee, wo ich bis zur Demobilisierung ein gemeiner Soldat war. Nach der Demobilisierung wurde ich als Tischler ins Flugzeugwerk in Pensa eingestellt, wo ich bis 1919 arbeitete.

1918 passierte in Ssolowzowka ein Ereignis, das mir in der Zukunft viel Jammer und Unglück brachte. Eben in der damaligen Zeit wurde Spiritus in den Fluss Ardym im ehemaligen Sseliwanowski-Werk abgelassen, wie es damals in allen Werken der Fall war. Alle Leute fluteten hinaus, um Spiritus aus Gräben und Gruben in der Nähe des Werkes zu sammeln. Der Lektor der Ssolowzowsker Kirche soff sich dabei sofort zu Tode.

Zu dieser Zeit drang das Wahlprinzip sogar in die Kirche ein. Daher entstand die Frage über die Wahl des Lektors. Ich galt als ein guter Sänger, darum lieβ mich (ihren Dorfgenossen) die Bürgerschaft von Ssolowzowka vom Werk aus Pensa kommen und wählte mich zum Lektor (Psalmisten). Die höhere Geistlichkeit wollte mich aber nicht als Psalmisten in der Ssolowzowsker Kirche, weil ich keine Ausbildung hatte und besonders, weil ich ein Bauer, und damit ein geistlicher Laie war. Aber unter dem Druck der Bevölkerung war die pfäffische Leitung gezwungen, nachzugeben und ab 1919 wurde ich Psalmist.

1929 hörte ich mit diesem “Gewerbe” auf und betrieb weiter Landwirtschaft. 1930, während der sich verschärfender Verhältnisse nach der Kollektivierung in unserer Gegend, wurde ich für fünf Jahre ausgesiedelt. Während meiner Verbannung war ich in Temnikowsker-Arbeitslagern der Region Mittelwolga und nahm dort an der Bauarbeiten des Weißmeer-Kanals teil. Für die ehrliche Arbeit in den Lagern und beim Bau des Weißmeer-Kanals wurde ich mit dem mir verliehenen Recht auf einen freien Aufenthalt in der gesamten UdSSR vorzeitig entlassen (entlassen im Jahre 1934 – Anm. des Autors).

Wenn ich ein gebildeter Mensch oder ein versierter Kopf und nicht so beinahe analphabetisch gewesen wäre, wie ich wirklich bin, dann wäre es mir nie passiert, dass ich, ein Tischler und Zimmermann, der aus einer armen Bauernfamilie stammte, unter den Popen gewesen war. Diesen Fleck will ich durch eine ehrliche Arbeit als Arbeiter wegputzen. Deshalb bitte ich den Dorfrat um meine Wiederherstellung in den Rechten, um zumindest während des Rests meines Lebens wiedergutzumachen, dass ich wider besseres Wissen das Werk verlassen hatte und nach der Wahl durch meine Dorfgenossen zu einer Person wurde, die für Berufstätige nicht nützlich war.

Ich bitte noch einmal, meine Bitte zu bearbeiten, weil ich kein Feind der sowjetischen Regierung war und bin. F. Kondraschin “.

Diesmal wurde Fedor Iwanowitsch aufgrund einer so überzeugenden Erklärung wieder in seinen Bürgerrechten eingesetzt.

Quellen: Staatsarchiv des Pensaer Gebiets, F. р-39, V. 1а, D. 39; F. р-212/439, V. 3, D. 499; F. р-516, V. 1, D. 20; F. р-1139, V. 3, D. 233, Bl. 5; F. р-66/516, V. 3, D. 110, D. 125. Das Archiv des Föderalen Dienstes für Sicherheit im Pensaer Gebiet, D. № 10137-п.

[1] War auf der Basis des modernen Werkes “Era”. Von 1916 bis 1923 spezialisierte er sich auf den Flugzeugbau.

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