Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow

Der Untersuchungsrichter für besonders wichtige Angelegenheiten Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow war eine legendäre und mysteriöse Person Auf der ganzen Welt ist er als ein Mann bekannt, der eine Untersuchung des Falls über die Ermordung des letzten russischen Kaisers Nikolaj II. und der Mitglieder der majestätischen Familie durchführte, also der Familie des höchsten Fürsprechers, des Symbols und der Verkörperung des orthodoxen Russlands.

Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow

Die Bedeutsamkeit und Größe der Arbeit von N.A. Sokolow besteht darin, dass ihm gelang, innerhalb kürzester Zeit die Untersuchung durchzuführen – zwischen den beiden bolschewistischen Eroberungen Jekaterinburgs – und so den selben einzigen Moment zu nutzen, der später gar nicht in Frage kommen konnte. Die Untersuchung selbst, die Sokolow in Kriegszeiten durchführte und die mit Lebensgefahr verbunden war, drückte den heiligen Heldenmut für die Wahrheit aus. Da die Untersuchung auf frischer Spur eingeleitet wurde, war es möglich, noch frische, schlecht verdeckte Beweise und Artefakte zu entdecken, sehr wertvolle Hinweise auf das Verbrechen und sowohl biologische Gegenstände als auch Gedenkgegenstände, die den Märtyrern gehörten, zu bekommen. Untersuchungsmaterialien, die während dieser kolossalen Suche nach der schrecklichen Wahrheit eingeholt worden waren, wurden vielen sowohl privaten als auch offiziellen kriminalpolizeilichen Ermittlungen der Folgezeit zugrunde gelegt, auch der Vorbereitung der Heiligsprechung der Mitglieder der königlichen Familie von der Russischen Orthodoxen Kirche.

Besondere Aufmerksamkeit verdient neben der Untersuchungsakte zweifellos die Person von Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow, dessen Persönlichkeit und Lebensweg von den Historikern in vollem Maße noch nicht beleuchtet worden waren. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Untersuchungsführer Sokolow aus Pensa stammt, nicht nur das Gut der Ssursker Region, sondern auch stellt seinen Landsleuten eine verantwortliche Aufgabe: auf der Grundlage von lokalen Materialien den Pensaer Lebensabschnitt dieses Mannes zu beleuchten und darüber der Öffentlichkeit zu erzählen, was im Jahr des 100. Jahrestages der scheußlichen Ermordung des Gesalbten des Herrn besonders wichtig ist. Die Forschung des Pensaer Lebensabschnittes des Untersuchungsführers Sokolow kann ein Schlaglicht auf die Geheimnisse seiner Biographie werfen: die Umstände der Flucht aus seinem Heimatgouvernement, seine Verhältnisse mit dem Obersten Regenten von Russland A.W. Koltschak und schließlich auf den Tod.

Es wurde Zeit, alle Informationen über den hervorragenden russischen Kriminalisten aus dem Pensaer Gouvernement zu analysieren und zusammenzufassen und das Gedenken an ihn zu verewigen. In den letzten Jahrzehnten erforschten die Biographie von N.A. Sokolow der Pensaer Schriftsteller Oleg Michailowitsch Ssawin, Lehrerin des Mokschaner agrartechnologischen Colleges Olga Jurjewna Kamenskaja, der Pensaer Historiker und Journalist Aleksander Ssobolew und andere Heimatkundler.

Das revolutionäre Mokschan. Rechts ist die Erscheinungskirche.

Im Staatsarchiv des Pensaer Gebiets, im Fonds des Pensaer Bezirksgerichts ist ein Umfangsverfahren über den Dienst des Untersuchungsrichters für besonders wichtige Angelegenheiten Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow. Dieser Fall ist sehr informativ in Bezug auf die Biographie; seine Unterlagen umfassen den Zeitraum vom Juni 1904 bis zum Januar 1918 und erzählen von der Herkunft des Untersuchungsführers, Einzelheiten aus seinem Leben und der Tätigkeit in Pensa.

Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow wurde am 21. Mai 1882 in der Kreisstadt Mokschan des Pensaer Gouvernements in der Familie des Kaufmanns Aleksej Michailowitsch Sokolow und seiner Frau Nadeschda Wladimirowna geboren. Am dritten Tag nach der Geburt, d.h. am 23. Mai wurde er in der Erscheinungskirche von Mokschan getauft und zu Ehren des Heiligen Nikolaus von Myra der Wundertäter benannt, wo göttliche Vorsehung ersichtlich ist.

Die Taufurkunde von N.A. Sokolow (das Staatsarchiv des Pensaer Gebiets).

Seine Taufeltern Aleksej Iwanowitsch Schichanow und das Frauchen des Kaufmanns Nastasja Kusminitschna Sokolowa stammten aus dem Dorf Bolotnikowo des selben Kreises. Das Sakrament der Taufe wurde von dem Priester der Dreifaltigkeitskirche Mokschan Pjotr Kalliopow, dem Diakon Ioann Blagosmyslow und dem Subdiakon Matwej Katmisskij durchgeführt, wofür die Stempelsteuer bezahlt wurde.

Olga Jurjewna Kamenskaja, die sich lange Zeit mit der Persönlichkeit von Sokolow beschäftigt hat, behauptet, dass das Haus der Kaufleute Sokolows, in dem der zukünftige Büttel geboren wurde, in Mokschan erhalten geblieben sei.

Im Jahr 2004 bewies sie das, indem sie die Pläne aus dem Jahr 1910 und den 1960er Jahren aus den Fonds des Büros für technische Inventur verglich. Kamenskaja schreibt, obwohl das Gebäude heute mit einem Anbau und der Fassadenverkleidung entstellt ist, kann man die altertümliche Mauer von allen Seiten sehen. Nebenbei gesagt wurde auf Initiative von O.J. Kamenskaja in der Heimat der Mutter des Ermittlers im Dorf Bolotnikowo ein Gedenkkreuz errichtet.

Die Mokschaner Lehrerin-Heimatkundlerin Olga Jurjewna Kamenskaja, 2011.

Im Jahr 1900 beendete Nikolaj Sokolow das 2. Pensaer Männergymnasium, das in der Lekarskaja-Straße war, und holte notwendige Dokumente ein, um auf die Kaiserliche Universität zu kommen. Unter anderen Papieren nahm er vom Pensaer Konsistorium eine Ersatztaufurkunde, die vom Erzpriester des Pensaer Frauenklosters der Dreifaltigkeit Wassilij Malowskij, dem Sekretär des Konsistoriums Nikolaj Berenskij und dem Beamten Teplow unterzeichnet worden war. Damals konnte er nicht wissen, dass die ersten zwei Unterzeichner von den Bolschewiki inhaftiert werden und das gemeinsame Schicksal der “ehemaligen Leute” mit ihm teilen.

Das Gebäude des zweiten Pensaer Männergymnasiums, das N.A. Sokolow 1900 beendet hat.

Im Jahr 1904 absolvierte Nikolaj Aleksejewitsch die juristische Fakultät der Kaiserlichen Universität Charkow mit einem Diplom des ersten Grades. In diesen Jahren stürzte Russland in das revolutionäre Chaos, die Studenten nahmen an regierungsfeindlichen Reden und Streiks teil. Aber Nikolaj Sokolow war nicht dabei. In dem ihm vom Rektor ausgestellten Ausweis stand geschrieben: “Als Student hat er an gesetzwidrigen Taten solcher Art, die Missachtung des Gesetzes oder der Staatsmacht bedeuteten, nicht teilgenommen.”

Die Titelseite der offiziellen Akte des Ermittlers Sokolow (das Staatsarchiv des Pensaer Gebiets).

Am 28. Juni 1904 wurde Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow zum Unterkandidaten für eine Stelle für die Justizbehörde des Pensaer Bezirksgerichts ernannt. In seiner Heimatstadt Pensa ließ man ihn bloss einheimisch werden – bis zum Spätherbst arbeitete er in der Straf- und Zivilrechtsabteilung und wurde dann als Nachwuchskraft nach Tiflis geschickt, wo er als Assistent des Sekretärs der Gerichtskammer dienen sollte. Aber in diesem kurzen Aufenthaltszeitraum des jungen Spezialisten in Pensa fand ein bedeutendes Ereignis statt, das ihn sein ganzes Leben lang inspirierte: Am Tag seiner Ernennung besuchte Pensa Seine Kaiserliche Majestät Nikolaj Aleksandrowitsch. Und als seine Majestät die Kathedrale verließ, war Nikolaj Aleksejewitsch wahrscheinlich mitten im Gedränge der jubelnden Menschen, die ihre Untertänigkeit ausdrückten. Und der Kaiser, der mit seinem Bruder in dem Wagen an dem Untersuchungsführer vorbeifuhr, konnte nicht wissen, an wem er vorbeifuhr. Im Ural wird sich dann Sokolow immer wieder mit Tränen an diesen glücklichsten Tag seines Lebens erinnern – an den 28. Juni 1904 in Pensa.

Da er zum Dienst an einem abgelegenen Ort ernannt wurde, erhielt er Geld für die Reise (mit einem Kutschwagen) von Pensa nach Tiflis in anderthalbfacher Höhe – 142 Rubel 65 Kopeken. Also begann Nikolaj Aleksejewitsch seine Tätigkeit im Kaukasus.

Kaiser Nikolaj Aleksandrowitsch besuchte Pensa. Der 28. Juni 1904 (aus den Fonds des Pensaer Staatlichen Heimatkundemuseums).

Am 3. Oktober 1905 wurde der junge Untersuchungsführer auf sein eigenes Bittgesuch hin in seine Heimatstadt Pensa versetzt und in der gleichen Zeit wurde er in dem Rang eines Kollegiensekretärs mit der Rangfolge bestätigt. Hier erfüllte er zunächst Pflichten des Sekretärs der Strafrechtsabteilung und des Kanzleivorstehen des Pensaer Bezirksgerichts. Nach den Prüfungen, die am 20. März 1906 stattfanden, fand die Prüfungskommission bestehend aus dem Bezirkgerichtsvorstand P.I. Potulow und dem Mitglied des Gerichts W.G Lysow den Kollegiensekretär Sokolow gut ausgebildet für die selbständige Beschäftigung im gerichtlichen Bereich. Seine Arbeiten in Straf- und Zivilverfahren waren sehr gut. Seit dieser Zeit wurde Nikolaj Aleksejewitsch Oberkandidat für eine Stelle für die Justizbehörde.

Dann befand er sich mehrere Monate lang auf Dienstreisen als Untersuchungsrichter im Gorodischtschensker, Pensaer, Tschembarsker und Krasnoslobodsker Kreisen. Für einige Zeit war er auf Dienstreise in seinem Mokschaner Heimatkreis. Während dieser Dienstreisen lernte Nikolaj Aleksejewitsch das Gouvernement, seine Bevölkerung kennen, sammelte wertvolle Erfahrungen. Jede Reise war nicht nur durch Arbeitsfragen gekennzeichnet, sondern auch durch schwere Krankheiten, weil er von Natur aus eine schwache Gesundheit hatte.

Er arbeitete im zweiten Revier des Gorodischtschensker Kreises vom 15. April bis zum 10. August 1906 und lebte zu dieser Zeit im Dorf Basarnaja Kenscha.

Dorf Basarnaja Kenscha des Gorodischtschensker Kreises, wo Untersuchungsführer Sokolow im Jahre 1906 lebte und arbeitete.

Wie er in einem der Bittgesuche schrieb, erforderte die enorme Anzahl der Fälle (80 Aktenführungen) in dem Bezirk, für den er zuständig war, ständige Reisen und einen intensiven Kostenaufwand. Eben hier, im Gorodischtschensker Bezirk, untergrub Nikolaj Aleksejewitsch seine ohnehin schon schwache Gesundheit und bat zum ersten Mal um einen zweiwöchigen Urlaub. Zu seinem Bittgesuch, das aus diesem Dorf am 25. Juli 1906 geschrieben worden war, legte er ein ärztliches Attest, wo geschrieben stand, dass er übermüdet war, sein Gedächtnis schlechter wurde und ihm schwer zumute war. Von diesem Moment an begann Nikolaj Aleksejewitsch immer auf seine Gesundheit zu achten.

In den Dienstschreiben von Nikolaj Aleksejewitsch ist die Beschreibung seiner Schülerermittlungsakten erhalten geblieben, die bei der Dienstlaufbahn als eine Prüfung dienten. Einer von ihnen ist der Fall, in dem der Bauer Kondratjew die Summe von 213 Rubel von der Pensa-Simbirsker Staatseigentumsverwaltung für die Körperverletzung einforderte. Die Verwaltung stellte eine Gruppe von Bauern für das Holzfällen in der Katschimsker fiskalischen Datscha (der Schrebergarten) der Teschnjarsker Forstwirtschaft des Gorodischtschensker Kreises. Beim Holzfällen fiel ein Baum auf Gordej Wassiljewitsch Kondratjew und brach ihm den Arm. Er ging zuerst zum Chiropraktiker, aber da die Behandlung wirkungslos war, war er gezwungen, zu den Ärzten des Gouvernementskrankenhauses zu gehen. Die Ärzte erklärten den Bauern Kondratjew für geschäftsunfähig und der Holzhauer war in Verzweiflung. Durch einen Anwalt versuchte er eine monatliche Summe von der Verwaltung für seine Körperverletzungen einzufordern, aber vergeblich. Und nur dank N.A. Sokolow wurde der Fall zum Besten des Bauern.

Ein anderer Fall, der auch zum zweiten Revier des Gorodischtschensker Kreises gehörte, betraf einen Zwischenfall, zu dem es im Dorf Schugurow zwischen dem Gemeindevorsteher Nikitin und dem Bauern Kupzow kam. Am Ende der Anklageakte in diesem Fall steht die Unterschrift: „Unterkandidat für das Richteramt N. Sokolow“.

Am 28. Oktober 1906 wurde Nikolaj Aeksejewitsch zum Titularrat befördert.

Im Januar 1907, als er sich dienstlich in Tschembar aufhielt, fühlte er sich wieder unwohl. Am 27. Januar war Nikolaj Aleksejewitsch gezwungen, sich an das Pensaer Bezirksgericht zu wenden, damit es ihn von seinen Pflichten im Tschembarsker Kreis entbindet, weil er nicht mehr arbeiten konnte. Der Kreissarzt stellte eine schwere Form der Hysterie fest, begleitet von Krämpfen, Bewusstseinsverlust, Fieber, Blutarmut und der allgemeinen Erschöpfung.

Im März 1907 leitete N.A. Sokolow das Revier in dem entferntsten der Kreise – im Krasnoslobodsker Kreis. Hier bekam er einen neuen Anfall. Wie es ersichtlich aus seinem Telegramm nach Pensa ist, legte er sich eben dann ins Bett, als das Ereignis mit der tödlichen Verletzung eines dörflichen Landpolizisten geschah. Eben aus Krasnoslobodsk schickte Nikolaj Aleksejewitsch im Juni 1907 einen Brief nach Pensa, in dem er schrieb, dass er die Tochter eines Händlers Pensas Marija Stepanowna Nikulina heiraten wollte. Während des zweiwöchigen Urlaubs von Sokolow übernahm seine Pflichten in dem Krasnoslobodsker Kreis der Oberkandidat Boris Karlowitsch Gul.

Im Sommer 1908 wurde Nikolaj Aleksejewitsch erneut wegen Neurasthenie medizinisch behandelt, was der Arzt Pensas Michail Aschanin im Attest bestätigte. Seit September 1908 übernahm er die Pflichten des Untersuchungsführers im Mokschaner Kreis und war anscheinend in Kost im Elternhaus.

In der Akte von Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow sind haupsächlich ärztliche Atteste, Bittgesuche um Urlaub und Akte, dass er seine Befugnisse aufhob. Dennoch heißt es in seiner Beurteilung vom 16. Mai 1909: „Sokolow hat sehr gute Fähigkeiten, zeichnet sich durch Arbeitsamkeit und Sachlichkeit aus, hat viel Erfahrung im Gerichtsuntersuchungsbereich, in Bezug auf die Moralität ist er ganz tadellos.

Daher findet die Hauptversammlung der Gerichtsabteilungen, dass man den Titularrat Sokolow als den besten Untersuchungsführer im Kreis des Pensaer Gerichts auf dieselbe Stelle eines Auskultators in das erste Revier der Stadt Pensa versetzen sollte, was auch im Interesse des Falles gewesen wäre.” Diese Ernennung fand im März 1910 statt. Ebendann am 8. März wurde er zum Kollegienassessors ernannt. Nikolaj Aleksejewitsch war Ende der Zwanzig.

Am 26. Dezember 1911 wurde er zum Auskultator für besonders wichtige Angelegenheiten im Pensaer Bezirksgericht.

Das Gebäude des Pensaer Bezirksgerichtes auf der Linie der Verwaltungsbehörden. Um das Jahr 1914.

Im Sommer 1911 bekam Sokolow, der bereits geschwächt war, eine neue schwere Krankheit – Malaria. Er wurde immer wieder zur Behandlung geschickt, man verschreibt ihm Bettruhe und ständige körperliche Schonung. Im folgenden Jahr, d.h. 1912, stand er eine schwere Entzündung der Atemwege durch – aber er gibt nicht auf, arbeitet weiter und ist immer noch der beste Spezialist des Gouvernements.

Am 1. Januar 1913 wurde er „für den ausgezeichneten, fleißigen und eifrigen Dienst“ mit dem Orden des Hl. Stanislaw des 2. Grades ausgezeichnet und wurde bald zum Hofrat ernannt.

In den letzten Jahren seines Aufenthalts in Pensa war es Nikolaj Aleksejewitsch vergönnt, solche schwierigen und gefährlichen Fälle zu führen, wie die Ermordung des Offiziers der Gendarmerie Bakschejew, über den Missbrauch von seinen Kollegen im Pensaer Bezirksgericht, über die Pensaer Organisation der Sozialrevolutionäre, über das Pogrom der Läden in Pensa (1917).

Nachdem der Pensaer Biograph von N.A. Sokolow der Historiker, der Journalist Aleksander Nikolajewitsch Ssobolew einsehbare Materialien studiert hatte, bildete er das folgende Porträt des Untersuchungsführers: „Wenn ich Sokolow charakterisiere, muss ich bemerken, dass er ein sehr hartnäckiger und ziemlich streitsüchtiger Mann gewesen sein musste. Höchstwahrscheinlich haben Nervenkrankheiten seinen Charakter beeinträchtigt. Er war an Hysterie krank und so weiter. Er verlor ein Auge auf der Jagd und es verletzte ihn schwer. Ein Verdreher und ein Bürokrat. Ehrlich und prinzipienfest. Anscheinend, als er an der Universität Charkow studierte, eignete er sich die Wahrheit an: Pereat mundus, et fiat justitia („Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde!“). Sehr verantwortlich und besessen. Er hätte sich vor Eifer umbringen können, aber eine geplante Tat auszuführen. Alle diese Charaktereigenschaften machten ihm sein Leben sauer, aber halfen bei der Untersuchungsarbeit. Er beherrschte die Untersuchungstechnik gut, konnte aber falsche Schlussfolgerungen ziehen. Wegen seiner Besessenheit konnte er unbewusst das Ergebnis ersinnen, bevor die Fakten ihn auf die richtigen Gedanken brachten. Einige Momente in seinem Buch haben mich von dieser Besonderheit überzeugt. Im allgemeinen war er in beruflicher Hinsicht eindeutig auf seinem Platz. Hätte er einen Partner gehabt, der manchmal seine Besonderheiten hätte kompensieren können. Als er bereits im Ausland war, fand er eine Frau und schickte einen Abschiedsbrief an seine russische Frau (Nikulina).”

Die Revolution erlebte er schwer und sah einen offenen Abgrund der Gesetzlosigkeit, die ihm unausstehlich war, deshalb beschloss Nikolaj Aleksejewitsch, den Dienst zu beenden – unter dem Vorwand seiner Krankheit, was ihm günstig war, zog er sich vollständig von den Fällen zurück. Das letzte Dokument in der Akte von Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow ist mit dem 19. Januar 1918 datiert. Dort steht geschrieben: „Wegen der Krankheitsverschlechterung kann ich bis auf die Genesung die Stellung nicht antreten, da die Krankheit mich zwingt, Pensa zu verlassen.“

Also, als ein hervorragender Kriminologe wurde Nikolaj Aleksejewitsch Sokolow gerade in dem Pensaer Gouvernement gebildet. Hier verfeinerte er seine Fähigkeiten, um dann Tausende Werst von zu Hause entfernt die Hauptlebensarbeit zu machen – den Mord an der Person zu untersuchen, der er bis zum Tod treu blieb.

Nikolaj Aleksejewitsch als ein Bauer gekleidet ist auf dem Weg nach Sibirien, 1918

Nachdem er die Kleidung eines einfachen Bauern angezogen hatte, traf er sich mit dem Admiral Koltschak, der die Weiße Bewegung in Russland führte. Sokolow wollte wie ein sichtlicher Landstreicher aussehen, damit man auf keinen Fall denkt, dass er ein Gutgesinnter war. In diesem Zusammenhang ist es eine interessante Tatsache, dass zu Koltschak noch ein Mokschaner ging – der Großgrundbesitzer Jurij Jakowlewitsch Asarewitsch, der im Februar 1919 in Moskau war, um einen Auftrag des Obersten Regenten Russlands auszuführen (s. „Verlorene Leute“, „Die Asarewitschs“). Diese Momente der beiden Biographien sind sehr ähnlich. Gingen Sokolow und Asarewitsch zusammen zu Koltschak?

Im Jahr 1918 war Nikolaj Aleksejewitsch als Untersuchungsrichter für besonders wichtige Angelegenheiten im Omsker Bezirkgericht tätig. Und am 7. Februar 1919 wurde er von A.W. Koltschak beauftragt, den Mord an der Zarenfamilie zu untersuchen. Der Umgebung von Koltschak war Sokolow zu unsicher, er erregte da eher Verdacht. Und nur die Empfehlung einer hochstehenden Persönlichkeit, die zum Adel Pensas gehörte, gab den Ausschlag.

Ein Bankett im Hauptquartier des Admirals Koltschak. Anfang des Jahres 1919

Dieser Mission gab sich der Kriminalist Pensas ganz zu eigen, mit seinem ihm eigenen Fanatismus. Außerdem trieb ihn die außergewöhnliche Treue gegen das ehemalige Haupt des regierenden Hauses.

Mit der Untersuchung vor Ort konnte Sokolow wegen des tiefen Schnees in den Wäldern nicht anfangen, aber er begann, eine Basis für seine Untersuchung zu schaffen, nachdem er die Ergebnisse der ersten Untersuchungsführer Namjotkin und Ssergejew studiert und veröffentlicht hatte. Von Mai bis Juli 1919 befand sich Sokolows Untersuchung in einer aktiven, praktischen Phase. Er sammelte sehr viele Sachbeweise, befragte Hunderte von Zeugen, lieβ Dutzende von Begutachtungen vornehmen. Er arbeitete sogar während des Rückzugs der Weißen aus Jekaterinburg in das chinesische Harbin.

Und dann, bis zu seinem Tod in Frankreich im Jahr 1924, analysierte er das gesammelte Material und glaubte, dass die Wahrheit, für deren Suche er so viel Mühe aufgewendet hatte, der ganzen Welt zugänglich werden sollte.

Das Titelblatt der Voruntersuchung zum Zarenfall, erstellt von N.A. Sokolow

Es ist überhaupt schwierig, sich vorzustellen, wie der tief kranke Mensch, dem die Dienstreisen innerhalb des Pensaer Gouvernements schwer fielen, nicht nur eine sehr gefährliche Pilgerfahrt nach Sibirien unternehmen, sondern auch eine riesige Untersuchungsarbeit in so kurzen Zeit vornehmen und dann ins Exil gehen konnte. Also machte er beinahe eine Weltreise.

Am 23. November 1924 starb Nikolaj Aleksejewitsch in der Stadt Salbri unter ungewissen Umständen. Die Ursache seines Todes nennt man den Herzanfall, aber es gibt Meinungen, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist. Es ist bekannt, dass man gegen die Person Sokolow arbeitete und er viele Feinde hatte, aber die ganze Stadt vom Bürgermeister geleitet

Er wartete die Veröffentlichung seines Buches „Der Mord der Zarenfamilie“ nicht ab: es wurde ein Jahr später veröffentlicht, im Jahr 1925. Die Schlussfolgerung über die völlige Vernichtung der königlichen sterblichen Überreste von den Bolschewiki, die er in seiner Arbeit zog, fällt mit den aktuellen Ergebnissen nicht zusammen, nämlich mit der Auffindung der Reliquien, die jetzt in der Peter-und-Paul-Festung ruhen. Was ist das: ein Fehler eines erfahrenen Untersuchungsführers oder will jemand mit Absicht die Wahrheit verheimlichen?

Eine Notiz in der Emigrantenpresse über den Tod eines hervorragenden russischen Kriminalisten.

Abschließend gehen wir auf einen weitläufigen, aber ziemlich zutreffenden Eindruck von Michail Konstantinowitsch Diterichs ein, der Kurator des Falls über den Mord des Zaren war.

“Mittelgroß, mager, sogar einfach dünn, etwas gebückt, oft agierte er nervös mit den Armen und biss ständig seinen Schnurrbart; spärliches, dunkel-braunes Haar, großer Mund, schwarze wie Kohle Augen, große Lippen, erdfarbiges Gesicht – so sah Sokolow aus. <…> Als er von den Bolschewiki aus Pensa floh, zog er sich als ein einfacher armer Bauer an und schuf den charakteristischsten Typ von einem Landstreicher, einem Strolch, einem Einwohner von Chitrowo aus den Geschichten von Maxim Gorki. Viele zweifelten daran, ob es sich lohnte, die Voruntersuchung des Zarenfalls ihm zu übertragen, und äußerten ihren Zweifel dem Obersten Regenten, nachdem sie Sokolow gesehen hatten. Und viele, die feindselig gegen die Ermittlung dieses Falls waren, verwendeten das Aussehen von Sokolow, um weit vom Schuss vorwärts die Arbeit von Sokolow zu diskreditieren und das Ermittlungsverfahren und die Ermittlung als völlig unseriöse Affäre einiger müßiger hoher Chargen darzustellen.

Man musste Sokolow erstens als Ermittler und zweitens als einen Menschen, als einen russischen Menschen und einen nationalen Patrioten kennen. Der erste Punkt klärt sich von selber aus der ganzen folgenden Geschichte. Was den zweiten Punkt angeht, muss man einiges sagen, weil er in diesem Fall die gleiche Bedeutung hatte wie in der Kunst das Talent des Abstimmens der Farben, um den Gegenstand auf der Leinwand wahrheitsgetreu nach der Genauigkeit, der Farbe und Helligkeit des Lichteindruckes zu malen.

N.А. Sokolow. Vermutlich im Jahre 1919

Expansiv, leidenschaftlich, bei jeder Sache war er mit Leib und Seele. Mit einer Seele, die unvergleichlich größer als sein Aussehen war, war er ewig auf der Suche, hungrig nach Liebe, Wärme, Idealität. Als ein selbstverliebter Mann und ein Fanatiker seines Berufes zeigte er oft Heftigkeit, Hitzigkeit und Mißtrauen anderen Menschen gegenüber. Besonders oft geschah dies anfangs, bei der ersten Bekanntschaft, als er den Menschen begegnete, die der verstorbenen Zarenfamilie nahestanden. Bei diesem Fall war er mit Leib und Seele nicht nur als ein Fachmann und ein echter Russe, sondern auch wegen der außerordentlichen Treue gegen das verstorbene Oberhaupt des regierenden Hauses und seine Familie, er war geneigt wegen seiner Expansivität die Missgunst seitens dieser Zeugen zu sehen, wenn sie auf die von ihm gestellten Fragen nicht antworten konnten.

Von Kindheit an war er ein angeborener Jäger, gewöhnt an Strapazen des Jagdwanderlebens, an die stundenlange Jagd auf den Auerhahn oder den Birkhahn beim Balzen. Er entwickelte seine Beobachtungsgabe aufs höchste, das Raten der Merkmale und unendliche Geduld, um das Ziel zu erreichen. Der ständige Umgang mit dem Dorf, mit dem Bauern auf der Jagd, erzeugte in ihm von Kindheit an Bindung an den gemeinen Mann, die Liebe zu seinem Russischen, Patriarchalischen, und ein großes Wissen um die bäuerliche Seele, die Stärken und Schwächen seines Volks, seine Umwelt.

Die Erscheinungskirche Mokschans, in der der kleine Nikolaj am 23. Mai 1882 getauft wurde. 2011

Nach dem Universitätsabschluss kehrt er als junger Jurist wieder ins Volk, und dieses Mal dringt er in ein anderes Milieu des Volks – in das verbrecherische Milieu, in das kriminelle erbitterte Milieu, wo es manchmal zu Grausamkeit kommt. Aber es stöβt ihn nicht ab, lässt ihn nicht sein Volk nicht mehr mögen; ganz im Gegenteil, als ein entwickelter, gebildeter, belesener Ideenmensch findet er auch hier Raum für Liebe, weil er immer die Hauptgründe sieht, das Grundübel der Kriminalität in den meisten von ihm zu inspizierenden Objekten – das Dunkele und die Unkultur und hängt sein Herz an das Volk noch stärker wegen der grundlegenden Eigenschaft des russischen Menschen – aus Mitleid.

Er entwickelt die Fähigkeit, mit einem Verbrecher zu sprechen, von ihm Wahrheit, eine Beichte, ein Zugeständnis zu erlangen; er spricht mit ihm, geht spazieren, lebt, trinkt Tee, raucht und ein tags zuvor hartnäckiger Verbrecher beginnt am nächsten Tag zu sprechen, zu erzählen, er begeistert sich, weint sogar manchmal. Es ist erstaunlich, dass die Verbrecher, die er entlarvte, fast nie auf ihn giftig waren; am häufigsten drückten sie ihr Verhalten ihm gegenüber mit den Worten aus: “Geschickt hat er mich erwischt”, erstaunt, nicht böse.

Als er sich während seiner Flucht aus Pensa vor den Bolschewiki verbarg und sich zu unseren Linien begab, stieβ er in einem Dorf auf einen Mann, der von ihm vor drei Jahren eines Verbrechens schuldig gefunden worden war – des Mordes und der Beraubung seines Opfers. Der Mann hatte einen Prozess und wurde zu einer hohen Bestrafung verurteilt. Die Revolution gab ihm die Möglichkeit, in sein eigenes während seiner Abwesenheit zerstörtes Nest zurückzukehren. Er erkannte Sokolow und Sokolow erkannte ihn. Ringsum waren die Rotarmisten. Der Mann hätte sich leicht rächen können. Aber er tat das nicht, lud ihn in sein Haus ein, erquickte ihn mit Speise und Trank und gewährte ihm ein Nachtlager. Und am nächsten Morgen, als Sokolow sein Haus verlieβ, brachte er ihm eine alte, kaputte Mütze und überreichte sie ihm mit den Worten: “Zieh die an, deine ist nicht gut, sie werden dahinterkommen.”

Das Grab von N.A. Sokolow auf dem Friedhof in Salbri

Als Sohn aus einer russischen, einfachen und ehrlichen Familie wurde Sokolow in einem festen, unerschütterlichen Bewusstsein erzogen, dass Russland und das russische Volk „ohne Gott im Himmel und den Zaren auf der Erde“ nicht überleben. Die Bildung und die Universität haben diesen Glauben nicht erschüttert, sondern ihn im Glauben noch stärker befestigt, und der leidenschaftliche Charakter und Liebe zur Gesetzlichkeit führten dazu, dass er ein außerordentlich ergebener Monarchist aus Überzeugung geworden war. Er hasste Kerenski und alles, was von dem Kerenski-Regime erzeugt und geerbt worden war, abgrundtief, und Kerenski nannte er nur „Aaronka“. Sokolows Hass zu ihm wurde rein aus professionellen Gründen eines Rechtsanwaltes angeschürt, weil Kerenski den Rechtsanwälten den Zugang in die Staatsanwaltschaft ermöglichte, was nach der Meinung von Sokolow „Allerheiligste“ unseres Gerichtsverfahrens bis auf die Wurzel zerstörte. So war das kurze innere Menschenbild des Untersuchungsrichters Sokolow. ”

Quellen: Das Staatsarchiv des Pensaer Gebiets, F. 42, V. 1, D. 113; Ssawin O.M. Das Vollziehen der Gesetze Russlands … Aus der Geschichte der Pensaer Gerichte. – Pensa, 2004. S. 116; Informationen von Olga Jurjewna. Kamenskaja; Ssobolew A.N. Der Hauptfall des Untersuchungsführers Sokolow // “Unser Pensa”, 2013, 6-12. März; http://penzahroniki.ru.

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