Stefan Kusmitsch Nikolski

Der Pfarrer Stefan Kusmitsch Nikolski war der Schwiegervater von Iwan Fedorowitsch Prosorow, der eine seiner Töchter, Lidia, heiratete.

Der Vater Stefan Nikolski als Pfarrer, um 1900

Der Vater Stefan wurde am 27. Dezember 1869 im Dorf Sagoskino des Pensaer Kreises in der Familie vom Diakon Kossma Georgiewitsch Nikolski geboren. 1890 schloss er das Priesterseminar Pensa mit dem Zeugnis der zweiten Klasse ab. Dann bekam er die Stelle des Lektors der Christi-Geburt-Kirche im Dorf Pawlo-Kurakin des Gorodischtschensker Kreises, und später, die des Priesters in der Wladimirkirche im Dorf Studenez des Nishnelomowski Kreises. Hier unterrichtete er auch als Lehrer christlicher Gebote in der Landschaftsschule. Da diente Vater Stefan etwa vier Jahre lang und hatte sehr ergiebig gearbeitet. Für einen ausgezeichneten, eifrigen und nützlichen Dienst als christlicher Hirte und die Arbeit in der Kirche im Allgemeinen zeichnete ihn Seine Eminenz der Hochwürdige Herr Bischof Paul mit dem Ehren-Epigonation (Hüftband orthodoxer Priester, getragen während der Liturgie) aus.

Am 31. Dezember 1896 wurde der Vater Stefan zu seinem neuen und letzten Ort seiner geistlichen Amtsausübung gebracht – zur Erzengel-Kirche im Dorf Mokryi Mitschkass des Nishnelomowski Bezirks. Dort diente er als Zensor von Kanzelreden. Für einen ausgezeichneten, eifrigen und nützlichen Dienst als christlicher Hirte und die kirchliche Arbeit wurde Vater Stefan 1901 mit dem Skoufos ausgezeichnet. Dann wurde er vom Hochgeweihten Bischof Mitrofan II. in den Dekanatsrat aufgenommen. Ein Mitglied des Dekanatsrates war der Vater Stefan bis zum Dezember 1908.

Stefan Nikolski nach dem Abschluss des Priesterseminars in Pensa. Jahr 1890

1910 erhielt der Priester eine weitere Ehrenauszeichnung – eine Kamilavka.

Im folgenden Jahr wurde ihm für den Dienst als Leiter und Lehrer christlicher Gebote der Mitschkasser Kirchengemeindeschule der Segen des Heiligen Synods (des obersten Verwaltungsgremiums der russisch-orthodoxen Kirche) in einer offiziellen Urkunde erteilt. Er wurde auch zum Mitglied des Nishnelomowski Abteilung des diözesanen Schulrats und bekleidete dieses Amt eine lange Zeit. Und schließlich wurde er durch den Beschluss desselben Bischofs Mitrofan zum Beichtvater des dritten Dekanatsbezirkes dieses Kreises ernannt. Das letzte Amt bekleidete er bis 1914. Dem Vater Stefan wurden mehrere Medaillen verliehen: “Zum Gedenken an den Imperator Alexander III.”, “Zum Gedenken an den 25. Jahrestag der Kirchengemeindeschulen” und “Zum Gedenken an den 300. Jahrestag der Herrschaft der Romanow-Dynastie”.

In der Gemeinde vom Vater Stefan wurden der Kirchengemeinderat, ein „Verein für das nüchterne Leben“, ein Kreis von Zeloten und Eiferern der Frömmigkeit, sowie ein Kuratorium gegründet. All diese Jahre unterstütze den Vater Stefan der zukünftige Märtyrer für den Glauben, der Diakon Iakow Kondratiewitsch Gulynin, der für seinen Eifer um Gott und sein Schaffen im kirchlichen Chor bekannt war.

Trotz vieler Aufgaben in der Gemeinde und im Diözesendienst war der Vater Stefan ein frommer Erzieher seiner großen Familie: seine Mutter Maria Georgiewna, geborene Lebedewa (08.03.1874), die Kinder Wladimir (geb. 13.04.1893), Ewgeni (geb. 09.01.1895), Lidia (geb. 22.03.1898), Boris (geb. 27.02.1900), Alexei (geb. 13.02.1902), Sinaida (geb. 25.10.1905), sowie die Zwillingskinder Alexandra und Raissa (beide geb. 01.10.1909). Fast alle erhielten eine gute Ausbildung in diözesanen Bildungseinrichtungen.

Das Antlitz des Vaters Stefan blieb auf Fotos erhalten und seine Eigenständigkeit und Ableben – in den Erinnerungen seiner Enkelin Nina Iwanowna Prosorowa-Kotschegarowa. Das haben wir in Archivdokumenten gefunden.

Die Familie Nikolskije – Prosorows nach der Beerdigung vom Vater Stefan, 1931.

“Ich war damals zehn Jahre alt, aber ich erinnere mich gut an meinen Großvater und meine Großmutter – die Eltern meiner Mutter. Der Großvater Stepan Nikolski war Priester und verbrachte sein ganzes Leben im Dorf Mitschkass. Er hatte eine vorbildliche Hofwirtschaft, ein großes Haus, einen Garten vor dem Haus, einen Gemüsegarten hinter dem Garten und noch einen großen Garten, den der Großvater selbst gebaut hatte. Er war ein ruhiger, arbeitsamer Mensch. Auβer dem Gottesdienst in der Kirche verbrachte er seine ganze Freizeit in dem großen Garten, wo eine kleine Hütte war, in der der Großvater tischlerte: er stellte dort kleine Hocker, Fässchen, Rahmen für die Imkerei und andere für den Bauernhof nützliche Dinge her.

Und im Garten herrschte eine vorbildliche Ordnung! Am Garteneingang blühten Malven aller Farben, sehr schön. Ich mag immer noch Malven. Es gab viele Bienenstöcke, zwischen denen Rosen blühten, die aus irgendeinem Grund alle weiß und groß waren. Eine Allee von Kirschbäumen, eine Allee von Pflaumenbäumen und Apfelbäume verschiedener Sorten. Besonders eine neue Apfelsorte hatte der Großvater selbst gezüchtet. Sie hieβ “Knjasewka”. Die Äpfel waren sehr groß, fast durchsichtig, süß und wohlduftend.

Der Diakon Stefan Nikolski mit seiner Mutter Maria Georgijewna

Im Sommer war ich immer in Mitschkass zu Besuch. Das war eine sehr angenehme Zeit. Ich langweilte mich dort nie. Im Hof lief viel Hausgeflügel herum: Puten, Gänse, viele Hühner. Es war meine Aufgabe am Abend die Eier aus den Nestern zu holen – einen ganzen Korb voll brachte ich immer in die Speisekammer. Aber der Truthahn war böse, beißend. Er bewachte die Puten eifrig. Er schlug mit dem Schnabel und den Flügeln sehr hart. Ich hatte Angst vor ihm und hatte immer eine Rute mit. Mitten auf dem Hof war ein riesiger Trog mit Wasser für die Sau mit Ferkeln. Die Puten badeten nicht darin, aber für die Gänse gab es noch einen Trog mit Wasser. Es gab auch zwei Kühe. Für die Großmutter war es unmöglich, allein solchen Haushalt zu führen, deshalb wohnte bei ihnen eine Magd, die Awdotja hieß. Sie melkte immer zwei Eimer voll Milch und ich musste dann einen Becher kuhwarme Milch trinken.

Im Garten vor dem Haus gab es einen Himbeerschlag, auf dem rote, weiße und schwarze Himbeeren wuchsen. Ich musste zum Abendessen auch eine Schüssel voll Himbeeren einsammeln, sowie vom Gemüsebeet – frische Gurken und Radieschen. Zu Mittag aβ man auf der Terrasse. Da stand ein großer Esstisch, weil da viele Leute waren. Kinder verbrachten da Ferien und das waren vier Söhne und vier Töchter. Sie besuchten das Gymnasium in Lomow. Zum Mittagessen gab es als Vorspeise eine köstliche Kohlsuppe mit frischer saurer Sahne. Nur meine Großmutter konnte eine solche Suppe kochen. Zum Hauptgang gab es Brei: Hirse- oder Buchweizenbrei mit Milch, Butter oder Honig, – wem was besser schmeckte. Zur Nachspeise gab es Himbeeren mit Sahne oder Kissel (eine Art russische süße Bowle, alkoholfrei). Das war so lecker!

In diesem Garten wuchs auch ein Honigpflaumenbaum. Er war, genauer, seine Früchte waren gelb, hühnereigroß, sehr saftig und süß. Der Baum war groß. Wir sammelten seine Früchte nicht, sie fielen einfach hinab. Aber, wenn sie jemanden auf den Kopf fielen, floss deren Saft über das Gesicht bis in den Mund hinein.

Michael-Erzengel-Kirche in Mokryi Mitschkass, Bild aus den 1950-er Jahren.

Aber, nachdem der Großvater den frischen Honig aus den Waben gepumpt hatte, war es ein Fest! Ich setzte mich mit meinen Dorffreundinnen vom Lande mit riesigen Schwarzbrotscheiben um eine Holzbutte herum, wohin der Honig floss, und wir aßen mit Löffeln und tranken kaltes Wasser dabei. Der Honig konnte nur am Abend gepumpt werden, während die Bienen schliefen; sonst stachen sie. Die Maschine, die den Honig aus dem Rahmen pumpte, konnte ich nicht sehen. Ich sah nur, wie er durch eine Rinne direkt in die Butte herabfloss.

Im Garten gab es eine Wiese, auf der meine Großmutter immer Konfitüre machte. Man hatte eine Kochstelle gebaut und eine riesige Kupferschüssel darauf gestellt, in die man Honig hineingoss. Sobald er kochte, wurde Obst hinzugegeben. Die Großmutter kochte selbst und vertraute in der Sache niemandem. Wir aßen immer die Häutchen von der kochenden Konfitüre, wieder mit Schwarzbrot, da es kein Weißbrot gab. Und sonntags buk meine Großmutter Plätzchen. Nirgendwo sonst habe ich solche Leckerbissen gegessen. Heutige Törtchen wären da überflüssig gewesen! Die Großmutter hat die Plätzchen so gemacht: In eine groβe Schüssel wurde zunächst eine Kanne saure Sahne gegeben. Das war aber nicht wie die saure Sahne, die in heutigen Lebensmittelgeschäften verkauft werden, sondern eine frische und naturbelasse saure Sahne. Dazu wurde ein groβes Stück Butter beigemischt, dann Roggenmehl zur Teigmischung hinzugegeben. Ich bekam ein Stück Teig, um daraus Plätzchen machen zu lernen. Und ich strahlte dabei vor Freude! Ich machte alle möglichen Formen von Brezeln und Plätzchen. Ein großes Backblech wurde in den traditionellen russischen Ofen gestellt und die Plätzchen wurden gebacken. Und es roch dabei so angenehm, dass alle auf der Straβe es riechen konnten. Die Plätzchen schmeckten sehr lecker, leicht salzig im Geschmack. Piroggen und Honigkuchen wurden auch oft gebacken.

Die Maslenitsa, das russische Pfannkuchenfest vor der Fastenzeit, blieb mir auch in Erinnerung. Zu diesem Fest kamen Gäste aus Nachbardörfern. Der Pfannkuchenteig wurde aus Hirse- oder Buchweizenmehl mit Milch und Eiern angerührt. Ein ganzes Fass voll! Die Gäste setzten sich an einen großen Klapptisch. Vor einem jedem lagen ein Teller, ein Messer und eine Gabel. Auf dem Tisch standen Schüsseln mit saurer Sahne, Butter, Heringspastete (passte sehr gut zu Pfannkuchen), verschiedene Fische und Marinaden. Die Magd Awdotja konnte Pfannkuchen sehr geschickt auf drei Pfannen gleichzeitig backen. Ich verabreichte die fertigen Pfannkuchen den Gästen auf einem Teller und beobachtete: wenn jemand seinen Pfannkuchen schon fast aufgegessen hatte, dann war ich gleich zur Stelle mit einem neuen heißen Pfannkuchen. Ich musste sogar laufen, um alle bedienen zu können. Und ich muss sagen, ich machte es sehr gut: ich wurde gelobt, das war angenehm. Viele Leute mochten Pfannkuchen mit Eiern. Das rohe Ei wurde dabei in einen Teller gegossen, ich legte sofort einen heißen Pfannkuchen darauf und das Ei darunter wurde gebacken. Man aβ nicht aus der Hand, sondern schnitt Pfannkuchen, gut erzogen, in Quadrate und aβ sie mit der Gabel. Und wie konnte nur so viel Essen Platz haben! Man aß und aß ohne Ende.

Unter den Gästen war ein Priester aus dem Nachbardorf. Er hatte überhaupt keine Zähne, spärliche graue Haarsträhnen hingen über seinen Ohren, und wenn er kaute, war das ein Heidenspaß – sein Kinn hüpfte bis zur Höhe seiner Nase auf und die Wangen bliesen sich auf, so als ob da Luftballons versteckt wären. Ich schaute ihn gern an und konnte mich vor Lachen nicht halten. Dafür wurde ich gescholten. Aber ich konnte ihn so gut nachahmen, dass alle kaputtlachten.

Es war gut, in Mitschkass zu leben!

Ich arbeitete auch gerne mit Äpfeln. Sie wurden in Stücke geschnitten, auf eine Schnur gereiht und zum Trocknen in der Sonne aufgehängt. Es gab viele Äpfel, sodass alte Frauen kamen, um zu helfen. Während sie arbeiteten, erzählten sie verschiedene Gruselgeschichten über Tote, die angeblich in der Nacht ihre Gräber verlieβen. Danach konnte ich nicht einschlafen.

Und meine Großmutter, Maria Jegorowna, konnte mit Kräutern heilen. Das hatte ihr wiederum ihre Großmutter beigebracht. In einer speziellen Rumpelkammer, die niemand betreten durfte, hingen Büschel der getrockneten Kräuter und Blumen. Es gab Döschen mit allerlei Einreibungssalben. Sie heilte erfolgreich Radikulitis und Rheuma. Leute kamen aus anderen Dörfern – damals gab es ja keine Polikliniken, und sie half ihnen allen. Aber eines Tages kam die Polizei und schrie, meine Großmutter wäre eine Kurpfuscherin, die ins Gefängnis sollte. Alle Kräuter wurden verbrannt und die “Gesundbeterei” wurde verboten. Aber am Ende wurde sie doch nicht ins Gefängnis gebracht.

Nach einiger Zeit wurde auch mein Groβvater verhaftet und ins Gefängnis in Lomow gebracht, ohne vorheriger gerichtlicher Anklage. Es war damals in Mode, Kirchen zu schließen und Priester ins Gefängnis zu bringen. Der Großvater hatte einen Monat im Gefängnis gesessen und wurde schwer krank. Der Schock für ihn war sehr tief. Er wurde aus dem Gefängnis ohne Bewusstsein hinausgetragen. In Lomow hatte die Schwester meiner Großmutter gelebt, bei der zu Hause er drei Tage lang gelegen war und starb, ohne jemals wieder zu Bewusstsein gekommen zu sein. So endete das Leben meines Großvaters. (Es war im Jahr 1931. – S. 3.) Sein Eigentum wurde beschlagnahmt und meine Großmutter zog nach Pensa zu ihrer Tochter um.

Die Nachkommen der Familie Nikolskije-Prosorows in den 1960-er Jahren.

Viele Jahre später fuhr Onkel Lenja immer wieder nach Mitschkass. Der Mensch möchte immer seine Heimat besuchen. Er sagte, dass das alte Haus der Familie zwar erhalten geblieben war, aber allmählich zerfiel. Der Fuβboden war durch und durch vermodert. Er hatte wieder den großen Tisch gesehen, auf dem er als Junge seine Initialen geschnitzt hatte, wofür er daraufhin bestraft worden war. Die Honigbienen waren gestorben, da sich niemand mehr um sie gekümmert und es niemand auch gekonnt hatte. Der Garten war zu Grunde gegangen. Seine ganzen Sträucher und Bäume waren abgeholzt worden. Stattdessen hätte die Kolchose mit Äpfeln und Honig aus diesem Garten das ganze Dorf ernähren können. Meine Eltern väterlicherseits kenne ich nicht. Sie starben früh, aber sie waren auch Geistliche gewesen. Der Vater bekam eine aus öffentlichen Mitteln geschaffene Stelle im Priesterseminar.

Viele Jahre sind inzwischen vergangen. Ich habe mittlerweile eine eigene Familie und wollte mal die “Kohlsuppe à la Großmutter” kochen. Aber es ist mir nicht gelungen… “.

Quellen: Staatsarchiv des Pensaer Gebiets, F. 182, V. 1, D. 2701, Bl. 21 rückseitig – 22; Bildmaterial wurde von Dmitri Georgiewitsch Tarschilow zur Verfügung gestellt; Lebedew M.A, Erzpriester. Die Geschichte der Pensaer Region in Umrissen. / Red.- Verfasser A.I. Dworshanski. Pensa, 2007. S. 91-92.
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