Nikolaj Ewgenjewitsch Ontschukow war ein Ethnograph, Folklorist und Journalist. Er wurde am 3. März 1872 in der Stadt Sarapul des Vjatsker Gouvernements (heutige russische Republik Udmurtien) in der Familie eines Kürschner-Handwerkers geboren.
Von Kindheit an war Nikolaj in einer bäuerlichen Umgebung erzogen worden und hatte ein großes Mitleid mit Armen gehabt. Da er eine Neigung zur Heilkunst verspürte, beschloss er, dieses Handwerk zu erlernen, um die Bauern und ihre Kinder behandeln zu können. Im Jahr 1893 schloss er die Kasaner Schule der Heilgehilfen ab und arbeitete danach als Leiter einer medizinischen Hilfsstation in dem Dorf Nassadka, im Kungurer Kreis des Permer Gouvernements und als Arzthelfer im Durchgangsgefängnis der Stadt Perm. Sechs Monate später wurde er jedoch als Arzthelfer aus dem Gefängnis für die Kommunikation mit politischen Häftlingen entlassen und einer polizeilichen Aufsicht unterstellt. Vielleicht war der wahre Grund für die Entlassung sein besonders menschlicher Umgang mit Häftlingen: sein Wunsch, sie nicht nur körperlich zu heilen, sondern auch mit ihnen mitzufühlen.
Im Jahr 1897 begann Nikolaj Ewgenjewitsch sich für den Journalismus zu interessieren und zog im folgenden Jahr nach St. Petersburg um, wo er mit verschiedenen Verlagen zusammenarbeitete. In den Jahren 1899-1900 machte er zwei Forschungsreisen durch den Tscherdynsker Kreis des Permer Gouvernements und veröffentlichte eine Reportage darüber, die offenbar von besonderem Wert war, sodass Nikolaj Ewgenjewitsch als Mitglied und Mitarbeiter in die Russische Geographische Gesellschaft aufgenommen wurde. Dieser Erfolg hatte dem angehenden Forscher einen Anstoß gegeben, eine Reihe von weiteren folkloristisch-ethnographischen Forschungsreisen nach Pomorje, Petschera, die jeweils in Olonezker und Archangelsker Gouvernements gelegen hatten, zu unternehmen. Diese Reisen dauerten von 1901 bis 1907. Zur gleichen Zeit absolvierte er erfolgreich das St. Petersburger Archäologische Institut (1903) und arbeitete in der ethnographischen Abteilung des Russischen Museums. Als Beleg für die wissenschaftliche Anerkennung von N. E. Ontschukow kann seine Wahl zum aktiven Mitglied der Russischen Geographischen Gesellschaft im Jahr 1907 gelten.
Im Jahr 1908 beschloss Nikolaj Ewgenjewitsch, in seine Heimat Sarapul zurückzukehren. Hier wurde er Herausgeber und Redakteur der Zeitung “Prikamsker Leben”, sowie einer der Gründer des Sarapuler Landschaftsmuseums (1909). In seiner Geburtsstadt blieb der Wissenschaftler bis 1918. Im Jahr 1919, auf dem Höhepunkt verschiedener Epidemien in der Region, arbeitete er als Arzthelfer und war verantwortlich für die Verwaltung eines Typhuskrankenhaus mit einem hohen Risiko, sich selbst lebensgefährlich zu infizieren.
Die 1920-er Jahre waren relativ günstig für die Entwicklung der Wissenschaft. Am 27. November 1920 bekam Nikolaj Ewgenjewitsch die Stelle eines Lektors für Russisch und Philologie an der Universität von Irkutsk und von 1921 bis 1925 unterrichtete er an der Pädagogischen Fakultät der Universität Perm. In dieser Zeit machte er eine Forschungsreise durch den Tscherdyner Kreis des Permer Gouvernements.
Im Jahr 1925 zog Nikolaj Ewgenjewitsch nach Leningrad um und war dort bis 1929 Dozent an der Leningrader Universität. 1929 unternahm er seine letzte Forschungsreise, diesmal im Tawdinsker Bezirk der Swerdlowsker Region. Als er nach Leningrad zurückkehrte, wurde er am 1. September 1929 verhaftet, kam ins Gefängnis und wurde dann in Verbannung geschickt. Am 31. Juli 1931 wurde er vorzeitig aus der Verbannung entlassen und kehrte nach Leningrad zurück, von wo er am 1. April 1935 wiederum nach Pensa deportiert wurde.
In unserer Stadt stand N.E. Ontschukow den Vertretern der alten Bildungsschicht aus der Zarenzeit nahe: dem Dozenten und Heimatforscher B.I. Zilli, dem Gründer des Pensaer botanischen Gartens, Professor I.I. Sprygin; dem Botaniker-Dendrologen B.P. Sazerdotow und weiteren Vertretern der Pensaer Wissenschaftskreise. Am 20. Oktober 1939 wurde er in Pensa der antisowjetischen Agitation angeklagt und als Mitglied der Gruppe von Kirchendienern der Mitrofan-Kirche unter der Leitung vom Erzpriester W.A. Artobolewskij verhaftet. Im Jahr 1940 wurde Ontschukow zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Am 6. (11) März 1942 starb Nikolaj Ewgenjewitsch in einer Einzelhaftzelle der Strafkolonie № 1 NKWD in Achuny.
Er war Autor der Sammlungen “Petschorer Sagen”, “Nordmärchen”, “Nordvolksdramen” und nahm an der Arbeit an der Erstellung des akademischen “Wörterbuchs der Russischen Sprache” teil. In der Bibliothek des Pädagogischen Belinskij-Instituts in Pensa blieben einige Bücher des Forschers erhalten. Die Person von N. E. Ontschukow ist in Pensa kaum untersucht und nur sehr wenige Menschen wissen, dass das Land um Pensa herum den Staub dieses bemerkenswerten Wissenschaftlers aufbewahrt. Die zukünftigen Generationen haben die Pflicht, sein Schicksal weiter zu erforschen und das Andenken an diesen Menschen zu verewigen.
Quellen: die Akte des Föderalen Dienstes für Sicherheit im Pensaer Gebiet № 11808-п; http://enc.permkultura.ru; http://www.hrono.ru/; http://www.ural.ru/spec/ency/encyclopaedia; http://www. booksite.ru.