Roman Borissowitsch Gul

Nur wenn ich über meinen Weg von unserem Landgut in Pensa, vom Haus meines Großvaters in Kerensk nach New York nachdenke, wird mir schwindlig. Trotz allem halte ich mein Leben für glücklich und – wenn es möglich wäre – würde ich mein Leben vom ersten bis zum letzten Tag noch einmal leben.

Roman Gul

Roman Borissowitsch Gul war ein berühmter russischer Exilschriftsteller, den man ein Symbol der russischen Emigration nennen kann. Er war jemand, der “Russland mit sich wegnahm” und war ein Mann mit einem erstaunlichen Schicksal.

Roman Borissowitsch Gul. Eines der letzten Fotos

Viele Jahre, bis in die 1960-er – 1970-er Jahre wusste keiner in Sowjetrussland etwas über Gul und sein kreatives Erbe. Der Grund dafür war : Gul war einfach als Konterrevolutionär verboten. Er galt als ein Mensch von den “Ehemaligen”. Inzwischen wurde im fernen Ausland das unschätzbare Kapital seines Wortes und seiner Erinnerungen angesammelt, das später eine Bresche in der Dunkelheit schlagen, wie als ob eine Binde von den Augen genommen und die Wahrheit gezeigt werden würde, die einen Ruf an den dröselnden russischen Menschen schicken musste. Gul war eine Art Bordschreibgerät, das nach einem Schiffbruch die Umstände seines Unterganges meldete.

Mütterlicherseits stammte Roman Gul aus dem Adelsgeschlecht der Wyscheslawzew, deren Stammbaum noch bis in die Zeiten von Iwan dem Schrecklichen und vielleicht sogar noch bis in früherere Zeiten hineinreichte. Sein Großvater, ein hoher Staatsrat Sergej Petrowitsch Wyscheslawzew, wurde zum Kreisadelsmarschall von Kerensk gewählt.

Olga Sergeewna Wyscheslawzewa – die Mutter von Roman Gul

Die Mutter des Schriftstellers, Olga Sergejewna, war mit dem berühmten Pensaer Notar, dem erblichen Ehrenbürger Boris Karlowitsch Gul, verheiratet. Sie heirateten kirchlich am 1. Oktober 1893 in der Heimat der Braut, in der alten Usspenski-Kathedrale in Kerensk (jetzt Wadinsk), das einmal die Belagerung von aufständischen Bauern unter Führung von Pugatschow abgewehrt hat. Was die Geburt des Schriftstellers anbetrifft, fanden vor kurzer Zeit die Mitarbeiter des Staatsarchivs vom Pensaer Gebiet heraus, dass Roman Borissowitsch am 1. Januar 1896 in Pensa geboren und am 6. Januar in der Duchossoschestwenskaja-Kirche getauft wurde, die in der Troizkaja-Straβe (heute Kirow-Straβe) lag.

Der Großvater von Roman Gul, Sergej Petrowitsch Wyscheslawzew, lebte in dem alten patriarchalischen Städtchen Kerensk, wo ihn sein Enkel aus Pensa, als er noch ein Kind war, in den Sommermonaten besuchte. Die Eindrücke von diesen Reisen beeinflussten die ganze Kindheit und Jugend des Schriftstellers, und es schien, dass die ganze Persönlichkeit dieses hervorragenden russischen Menschen in diesen provinziellen Tiefen gebildet wurde.

Roman und Sergej Guls in Pensa. Das Ende der 1890-er Jahre

Gul schreibt über seine Heimat Kerensk in verschiedenen Teilen seiner Erinnerungen und immer mit viel Liebe, er gibt dessen Atmosphäre mit Gerüchen und Farben wieder: „Mit diesem verlassenen Städtchen, sagt er, sind meine wunderbaren Kindheitserinnerungen verbunden: das alte Haus, der vernachlässigte große Garten, der ganze altertümliche Stil jenes russischen Lebens. Nach der bolschewistischen Revolution wurde Kerensk von den Bolschewiken vom Status der Stadt in den eines Dorfes “hinabgesenkt” und in Vad umbenannt (nach dem Fluss Vad, an dem es stand). Die Stadt wurde umbenannt, damit die Menschen den Namen der Stadt mit Alexander Kerenski, dem Premierministers der provisorischen bürgerlichen Regierung zu Zeiten der Februarrevolution, nicht mehr assoziieren, obwohl dieser selbst keinen Bezug zu der Stadt hatte (aber es scheint, dass sein Großvater, ein Urpope, aus Kerensk stammte). So ist die Stadt meiner Kindheit von der Landkarte Russlands verschwunden.”

In seinem Roman „Das rote Pferd“ erinnert sich Gul mit großer Wärme und Liebe an seinen Großvater: „Hier sitzt er (klein und grauhaarig) am Fenster mit einem Fernglas in den Händen und schaut auf den Platz seiner Stadt. Vor ihm steht eine Domkirche mit blauen Kuppeln, die von einer hohen Mauer umgeben ist, mit einem gestreiften Häuschen des Wächters und ein rotes Wirtshaus von Wedenjapin mit einem Vorgarten in bunten Zinnien. Auf dem Steilhang ist ein Kloster mit weißen Wänden, und da sind Felder, Wälder, Wind, sich traurig verdunkelnder Himmel, das ganze wundervolle Russland. Hier in dessen Tiefe wuchs der Großvater auf, arbeitete, lebte, und starb hier auch.

Das Panorama der Stadt Kerensk. Oben steht die Usspenski-Kathedrale, dahinter – die Maria-Schutz-und-Fürbitte-Kirche, unten rechts – die Erscheinungskirche

Auf seinen Kerensker Platz zu schauen, ist die Lieblingsbeschäftigung des Großvaters. Er betrachtet alles und schimpft auf alles. <…> In der Stille von Kerensk ist der Großvater eine autokratische Gewalt. Mehr als dreißig Jahre ist er der unabsetzbare Vorsitzende der Kreisverwaltung von Kerensk, oft der Adelsmarschall, obwohl der Großvater diesen Titel nicht mag. <…> Im Großvater Sergej Petrowitsch gibt es nichts Diktatorisches. Er ist allerdings ein wütender Schimpfer, ein Choleriker, ein Schreier, aber das alles ist seiner edlen Abstammung zuzuschreiben. Sergej Petrowitsch ist schmächtig, braunäugig, schaufelbärtig, mit einem sehr russischen Gesicht und weich, und zu Hause mit Kindern ist er ein sanfter Mensch; hier wegen Kleinigkeiten kann er verstimmt werden und sogar feuchte Augen bekommen. In seinen Angewohnheiten, Manieren, Gerede gibt es viel altertümliches und ich liebe ihn … Sonnige Stille, der Großvater, der Balkon, der Kerensker Platz, das ist meine Kindheit.”

Boris Karlowitsch Gul, der Vater des Schriftstellers.

Der Vater des Schriftstellers Boris Karlowitsch war einer von drei erfolgreichen Notaren in Pensa. Die Familie lebte in der Moskowskaja Straße, 53, in einem Haus mit neun Zimmern, der Dienerschaft und einem groβen Haushalt. Und es gab auch ein Büro, in dem etwa zehn Menschen arbeiteten. Darüber hinaus war Boris Karlowitsch Stadtrat, Vorsitzender des Elternausschusses des 1. Männergymnasiums von Pensa, wo seine Söhne zur Schule gingen, Vorsitzender des Puschkin-Wohnheims für Kinder der Landlehrer, Vorstandsmitglied der „Gesellschaft des gegenseitigen Kredits“ und Vorstandsmitglied des „Dramatischen Zirkels“. Leider starb er plötzlich im Dezember 1913, was sowohl die lokale als auch die überregionale Presse mitteilte.

Im Jahr 1914 absolvierte Roman das Pensaer Gymnasium und begann das Studium an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Moskau. Er legte alle Prüfungen, wie er sich selbst ausdrückte, „eminent“ ab, aber für Jura interessierte er sich nicht. Der einzige Trost in der damaligen Zeit war der Umgang mit dem Universitätsprofessor, dem bekannten Russophilen und Denker Iwan Iljin, unter dessen Obhut er sich in die klassische Philosophie vertiefte. Über das Schicksal der Akademiker jenes Kreises schrieb Roman Borissowitsch, dass die meisten Wissenschaftler unmittelbar nach dem Machtantritt der Sowjets versucht hatten, Russland zu verlassen, aber das gelang nicht allen. Gul sagt: „Der hervorragende Publizist und Wissenschaftler N. Ustrjalow war von den Tschekisten mit einer Schnur (unter dem Deckmantel von “Strauchdieben„) in einem sibirischen Expresszug erwürgt worden, als Ustrjalow auf eine “herzliche„ östliche Einladung von Stalin aus dem Fernen Osten durch das Sowjetrussland fuhr.“

Das 1. Männergymnasium von Pensa in der Dworjanskaja-Straße

Im Jahr 1916 befand sich Roman im dritten Studienjahr an der Universität, aber weil es mitten im Ersten Weltkrieg war, war er zum Militär einberufen worden, und als die Ferien vorbei waren, ging er in die Moskauer Schule der Fähnriche. Nachdem er im Zuge eines Schnellehrgangs den Offizierdienstgrad erhalten hatte, konnte er sein Regiment wählen, aber Gul wollte nach Pensa zu seiner Mutter-Witwe fahren und trat in das 140. Infanterieersatzregiment, das in Pensa stationiert war.

Dann ging es an die Front. Gul nahm an den Feldzügen gegen Österreich-Ungarn teil, befehligte die Kompanie des 457. Kinburner Regiments der 117. Division und sah in der damaligen Zeit, wie sein Regiment von den Bolschewiken unterwandet wurde, was er zu unterbrechen versuchte. Nach dem Zusammenbruch der alten Armee ließ ihn Oberst Ssimanowskij nach Hause gehen. In die Heimat fuhr Gul in einem Soldatentransportwagen mit entmenschten, nachlässigen, betrunkenen Deserteuren. In Pensa überraschte den Schriftsteller die Revolution. Hier erlebte er einen ungeheuren Krawall mit Ausschreitungen und bestialischen Morden, worüber er in seinen Memoiren schrieb.

“An diesen Dezembertagen des Jahres 1917 war Russland auf der Höhe seiner “Versündigung”. Vom Volk brach vorhin unsichtbare und unbekannte Leidenschaft los, die alles zerstört, alles vernichtet und Gesetz, Ordnung, Menschenrechte, Frieden und Sitte wild hasst. Wie in “Dämonen” – “Alles ging von den Grundlagen.” „Man muss alles durcheinanderwirbeln und auf den Kopf stellen“, „man muss die niedrigsten, die bösesten Leidenschaften vom Zaun brechen, damit nichts die Menschen in ihrem Hass und Durst nach Mord und Zerstörung störte“. Der ganze wilde Unsinn Bakunins verkörperte sich nun an jedem Tag des russischen Lebens. Es war genau jener Volkskrawall, über den Puschkin schrieb: “sinnlos und mitleidlos.” Wir lebten darin, in diesem ekelhaften Krawall. “Beraub den Raub!” und in Pensa werden alle Geschäfte in der Moskowskaja-Straße sinnlos ausgeraubt. “Verbrenn die Gutshöfe!”, “Töte die Bonzen!”. Und man verbrennt. Und man tötet jeden, der “der Vernichtung unterliegt”. Es gibt keine Gerichte, keine Richter, keine Gefängnisse, keine Polizei. ”

„Auf dem Bahnhofsplatz in Pensa wurde ein in Pensa vorbeifahrender Kapitän durch Selbstjustiz getötet, weil er seine zaristischen Schulterklappen noch anhatte. Man entkleidete den Toten, schleppte den großen weißen Körper auf dem Schnee der Moskowskaj-Straße mit Schrei und Gelächter auf und ab. Und ein betrunkener wahnsinniger Soldat schreit: “Jetzt gehört die Macht uns! Dem Volk!” Der Notar Gruschezkij wurde auf seinem Landgut bei lebendigem Leibe verbrannt, er konnte das brennende Haus nicht verlassen. Der Gutsbesitzer des Kerensker Kreises Skripkin wurde in seinem Gutshof getötet und man schob seine nackte Leiche „zum Spaß“ in ein Faß mit Sauerkraut ein. Und all das mit Gelächter – “Jetzt gehört die Macht uns! Dem Volk!”. In Hass und Leidenschaft der Vernichtung entbrannt tötete man nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, die “nicht volkseigen“, „nicht proletarisch“ waren. In einem bekannten Gutshof brach man in einem Pferdewerk die Wirbelsäulen der Läufer mit Eisenschrott, weil sie herrschaftlich waren. Durch die Teilung des Gutes bekam ein „revolutionärer Bauer“ bei uns bei der Zerstörung eines Gutshofs unsere Traberstute „Wolga“, er spannte sie in den Zoche ein und begann sie wütend zu peitschen: stirb, du bist herrschaftlich… „Die Herrschaft braucht Traber. Und jetzt ist keine Herrschaft mehr.” In einem anderen Gutshof schnitt man einem Springhengst die Zunge aus… <…> Im Nachbargutshof neben dem Dorf Jewlaschewo wurde die alte Gutsbesitzerin Maria Wladimirowna Lukina getötet. Ihre Freunde waren in Angst um sie, deshalb überredeten sie sie, das Dorf zu verlassen und in die Stadt umzuziehen. Aber die sturköpfige alte Frau antwortete immer: “Ich wurde in Jewlaschewo geboren und sterbe auch in Jewlaschewo.” Und sie starb wirklich in Jewlaschewo. Ihre Ermordung wurde nach allen Regeln der “revolutionären Demokratie” durchgeführt. Die Bauern aus Jewlaschewo besprachen diesen Mord in der Zusammenkunft aller Dorfbewohner. Jeder konnte frei sprechen. Zum Mord reizte ein Deserteur von der Front und ein roher, grober Bolschewik Budkin auf. Aber es gab Bauern, die gegen den Mord waren. Und wenn die meisten, die Budkin aufgereizt hatte, mit „Ja“ für den Mord der Alten stimmten, verlangten die anderen von der Gesellschaft einen Bescheid, dass sie an diesem Fall nicht teilnahmen. Die Zusammenkunft der Dorfbewohner fasste „einen Beschluss“: die alte Frau zu töten, und den anderen, die nicht einverstanden waren, den Bescheid zu erteilen. Und sofort nach der Zusammenkunft der Dorfbewohner stürzten die Leute mit Pfählen in den Händen in Lukinas Gutshof, um die alte Fraue und übereins auch ihre Tochter zu töten, die das ganze Dorf von Kindheit an gekannt hatte und halbzart-halbspöttisch „Küken“ nannte, jemand von Bauern warnte M.W. Lukina: man geht euch töten. Aber die alte Fraue hatte nicht einmal Zeit, den Schuppen zu erreichen. “Revolutionäres Volk” erstach sie auf dem Hof. Der “Küken” hatte Glück. Sie erwachte voll Blut im Morgengrauen neben dem Pferdestall, als ein irischer Setter ihr Gesicht leckte. Vom Setter begleitet kroch sie zum nahegelegenen Bauerngut von Sbitnews, und sie fuhren sie in das Saransker Krankenhaus davon.”

Das Landgut von Guls im Saransker Kreis

Als Augenzeuge dieser Willkür, als Augenzeuge eines sterbenden Russlands wurde Gul von zwei widersprüchlichen Gefühlen erfasst: das erste – an den Don zu fahren, um sich dort mit der weißen antibolschewistischen Armee zu vereinigen und mit Eisen den totalen Krawall und den Verfall zu unterdrücken; das andere Gefühl war das einer Hoffnungslosigkeit, dass Russland unwiderruflich zugrunde gehen würde, es falle in die Kluft und das sei unvermeidlich – so sei der Lauf der Geschichte. Aber im Dezember 1917 beschlossen er, sein Bruder und die Gleichgesinnten Boris Iwanow, N. Pokrowskij, Erast Waschenko und Dmitrij Jagodin, zum General Kornilow an den Don zu fahren, um am Kampf gegen den Bolschewismus teilzunehmen. Nachdem sie in Nowotscherkassk mit falschen Papieren angekommen waren, traten sie der Freiwilligenarmee bei. Bei der Aufnahme in diese Armee schien es, dass eine solche Armee nicht gewinnen konnte. Dmitrij Jagodin hatte sofort den Wunsch, nach Pensa zurückzukehren, aber Gul “hatte alle Brücken bereits niedergebrannt “. Der ehemalige Seminarist Jagodin kam nach Pensa, in den 1920-er Jahren lebte er dort recht gut und in den 1930-er Jahren wurde er ins Konzentrationslager gebracht, wo er in die Schwämme ging.

Roman Gul als Schüler des 1. Mannergymnasiums von Pensa. Foto um das Jahr 1911

An der “Eiskampagne” nahm Gul als gemeiner Soldat des Kornilowschen Offensivoffizierregiments teil. Beim Angriff auf den gepanzerten Zug der Roten Armee in der Region Kuban wurde er mit seinem Bruder Sergej verletzt, das aber aber “erfolgreich”, da sie in den Tross mit anderen Verletzten gebracht wurden. Da die Armee Kornilows nicht über ein Hinterland verfügte, keine Krankenhäuser hatte, bedeutete es, dass wenn eine Kugel den Knochen getroffen hätte, man ihn mit Sicherheit auf dem dunklen Abendfeld hätte liegen gelassen. Als die Brüder nach Nowotscherkassk, das den Bolschewiken wieder abgerungen worden war, zurückkehrten, waren sie überrascht, als sie ihre Mutter Olga Sergejewna dort antrafen, die auf der Suche nach ihren Kindern über die Wolga und den Nordkaukasus zum Don kam. Roman Gul begriff die Tragödie des Bürgerkriegs und verließ die Freiwilligenarmee. Dafür gab es zwei konkrete Gründe: Erstens verstand er, dass die Armee vor einem unvermeidlichen Rückschlag stand, und zweitens, er konnte nicht auf seine russischen Landsleute schießen, auch wenn sich ihm nicht bekannt waren, auch wenn sie im Unrecht waren. Schließlich hatte Gul nicht mit roten Soldaten, Arbeitern und Bauern von gestern, sondern mit “Pseudonymen”, wie Gul die Reformer nannte, ein Hühnchen zu rupfen. Diesen unglücklichen Militärweg beschreibt Gul später in dem Werk “Eiskampagne”.

Die Mutter und die Söhne hatten keine Möglichkeit mehr, nach Pensa zurückzukehren, und beschlossen, nach Kiew zur Tante väterlicherseits Lena Bysotschanskaja zu fahren. In der Ukraine herrschte Chaos: hier waren deutsche Truppen, die auf ihren Abzug warteten, und gegeneinander kämpfende Banden verschiedener Atamane, die Raubüberfälle durchführten, und vom Norden erwartete man bald den Einmarsch der Bolschewiki. Guls wurden zu den Truppen vom Hetman Skoropadskij eingezogen, um Kiew von Petljura zu schützen. In Kiew herrschte damals ein völliger Zerfall, die Militärjugend wurde auf den Anmarschwegen zur Stadt getötet, aber Guls blieben am Leben, aber sie gerieten in Gefangenschaft von Petljuras Anhängern. Dann wurden sie im Gebäude des Pädagogischen Museums eingesperrt, wo alle Räumen, Flure und Treppen voll von Gefangenen waren. Diese Episode nennt Gul eine abscheuliche Episode des Bürgerkriegs. Gewaltakte an den Gefangenen wurden von den Deutschen verhindert, das Blutbad scheiterte, aber in der Nacht wurde das Gebäude des Museums durch die Explosion einer höllischen Maschine erschüttert, die Glaskuppel brach zusammen, wodurch etwa 200 Gefangene verletzt wurden. Von der Mutter, die zum Museum kam, erfuhr Gul, dass in Kerensk unter acht Geiseln der Onkel Michail Sergejewitsch Wyscheslawzew von den Tschekisten getötet wurde. Ebendann erfuhr ich von der Ermordung des Regimentskommandeurs W.L. Simanowskij. Eben an jenen Tagen entstand in Guls Seele solcher Hass auf ganz Russland, dass er darin für sich selbst keinen Platz mehr fand. Als die Zahl der Gefangenen im Museum 500 Menschen erreichte (der Rest war dank Beziehungen oder für Geld freigelassen worden) und es keine Hoffnung auf die Rettung gab (die TscheKa unter der Leitung von Lazis fuhr nach Kiew), geschah ein Wunder der Befreiung. Ein deutscher General sorgte sich um das Schicksal der unglücklichen 500 Menschen und Gul und sein Bruder wurden nachts nach Deutschland gebracht. Der Zug überquerte die Grenze der Ukraine wieder wie durch ein Wunder und Guls wurden gerettet. So begann ab dem 3. Januar 1919 das Leben des Schriftstellers im Exil.

Roman und Sergej Guls in Deutschland

In den Jahren 1919-1920 lebten Roman und sein Bruder Sergej in diversen Kriegsgefangenenlagern, das letzte war in Helmstedt in der Provinz Braunschweig. Der Zug, mit dem Guls fuhren, war der Anfang, ihm folgten noch andere Züge mit russischen Offizieren, die einige Tausend waren. Dann wurden Offiziere durch die russische Militärmission “freiwillig-obligatorisch” nach Russland geschickt, um den Weißen Truppen zu helfen. Und zur Überraschung und Empörung des Kommandos der Mission weigerte sich Roman Gul mit einem Erklärungsschreiben, weiterhin am Bürgerkrieg teilzunehmen. Er gab mündliche Ausführungen dazu in Berlin. Gul setzte seinen Willen durch und blieb in Deutschland als Arbeiter am Holzeinschlagort bei dem Lager Helmstedt.

Da entstand in Guls Kopf eine Idee, die Schrecken des Bürgerkriegs in Russland zu beschreiben. So begann seine schriftstellerische Tätigkeit in der arbeitsfreien Zeit. Dieses Arbeitsfeld der Schriftstellerei wurde vom Bruder und von Schicksalsgefährten begrüβt. So wurde das erste Werk “Eiskampagne” geschaffen.

Hier knüpfte er Kontakte mit der russischen Schriftstellerwelt an und 1920 zog Roman Gul nach Berlin um, wo er in den Zeitschriften eines gewissen Stankewitsch “Leben”, “Frieden und Arbeit” zu arbeiten begann. Diese Zeitschriften hörten bald auf zu existieren, aber in jenen Jahren lernte Gul ganz vielseitige interessante Menschen aus der Emigrantenwelt kennen, erfuhr, dass es in Deutschland russische Dichter und Prosaisten gab, dass es russische Bibliotheken und deutsche Verlage gab, die an der Veröffentlichung russischer Literatur interessiert waren. Zweifellos erlebte da Gul schöpferische Leiden, führte ein elendes Dasein, aber dennoch gaben diese Umstände Hoffnungen für die Zukunft. Dann gab es gedruckte Arbeiten in der „Stimme Russlands“ und der „Zeit“. Und endlich wurde die “Eiskampagne” veröffentlicht, die für Aufregung in der Gesellschaft sorgte und eine positive Kritik von Maksim Gorkij verdiente, der das Buch während einer Berlinreise gelesen hatte. Gorkij antwortete sogar auf Guls Brief. Außerdem kam das Buch auf den Tisch des „Pseudonyms Nr. 1“ Lenin und wurde anscheinend von ihm auch gelesen. Das war der erste Sieg, der Anerkennung und ein auskömmliches Honorar brachte, das für Roman damals ein Vermögen war.

Weihnachtskirche der Stadt Pensa

Während Guls in Deutschland lebten und sich Romans literarische Karriere entwickelte, blieb ihre Mutter im hungrigen, durch den Terror erschütterten Kiew. Sie wohnte bei Verwandten in einem kleinen Haus in der Lukjanowka und hatte kein Einkommen, so wie alle, die in diesem Haus wohnten. Jeden Tag ging Olga Sergeewna zum jüdischen Markt, um etwas gegen Essen einzutauschen. So lebten das ganze alte Kiew und ganz Sowjetrussland. Aber als es keine Sachen mehr im Haus in der Lukjanowka gab und es nichts mehr einzutauschen gab, schwärmten alle Hausangehörigen zu fremden Menschen aus, bei denen sie schwarz arbeiten konnten. Die Mutter ging als Dienerin zu einer alten Frau, die immer noch Gerümpel zum Eintauschen hatte, aber die Hauptsache war ein Hof mit einem Gemüsegarten. Auβer ihnen waren im Haus noch acht Rotarmisten von Budjonny untergebracht. Im strengen Winter besorgten sie sich Brennholz, indem sie Zäune und Kreuze auf dem Friedhof absägten. Die Söhne in Deutschland konnten nicht wissen, ob die Mutter am Leben und wie ihr Schicksal war. Sie wussten nur, dass sich die Machthaber in Kiew ungefähr sechs Mal nach Kämpfen abwechselten. Aber die Mutter bekam einen Brief von den Söhnen, den sie noch aus Helmstedt mit einer Fahrgelegenheit durch Schweden geschickt hatten.

Sie erfuhr zunächst aus Zeitungen, dass ihre Söhne aus dem Pädagogischen Museum nach Deutschland gebracht wurden. Und dann bekam sie den ersten Brief, der eine Quelle für Lebenskraft und Hoffnung auf ein Treffen wurde. Aber der Gedanke, dass die Söhne nach Kiew zurückkehren konnten, entsetzte Olga Sergejewna, und bis es nicht geschah, hatte sie beschlossen, die Kinder selbst zu finden. Aber wie konnte diese Frau nach Deutschland kommen? Sie war eine Bettlerin. Allmählich wurde der Gedanken zur Zwangsidee, zum Sinn ihres Lebens. Sie spielte mit dem Plan, aus Kiew zu fliehen, und als gläubige Frau wählte sie die Richtung zur polnischen Grenze über das Höhlenkloster von Potschajiw.

Die Uspenski-Kathedrale in Kerensk, wo im Jahre 1893 die Eltern von R. Gul kirchlich heirateten

„An einem Abend im Mai, als alles in Lukjanowka ergrünte und in verwilderten Gärten dahergelaufene Nachtigallen sangen, stand in der Zauntür meine alte Kinderfrau Anna Grigorjewna Buldakowa, das war so unerwartet. Trotz der Wärme trug sie Filzstiefel. Im heimatlichen Pensaer Wyrypajew, als sie einen Brief der Mutter erhielt, verstand Anna Grigorjewna sofort die einfache Botschaft und kam nach Kiew mit allen Tricks und Raffinessen. Mit sich hatte sie nur einen Stock und einen Knappsack. Nach dem erstem Ausruf der Freude sagte Anna Grigorjewna sofort, dass sie mitfahren würde. Und dann fing sie an, ihre Schuhe auszuziehen und die Sohlen der Filzstiefel abzutrennen, in denen sie das Geld gebracht hatte. Aus latschigen Filzstiefeln nahmen sie Kerenki (Schatzscheine 1917)[1], die so nass und rot wurden, dass die Mutter und die Kinderfrau sofort begannen, die Kochstelle anzumachen, sie zu trocknen und abzubügeln. Die Kinderfrau brachte etwas von den Überresten der „bürgerlichen Vergangenheit“: einige Ringe (mit einem Smaragd in Brillanten, Opal in Brillanten, mit einem Brillanten in Platineinfassung und andere), Broschen (eine von der Großmutter Maria Petrowna, aus Gold, altertümlich) und einen ziemlich großen Bouton. Die Kinderfrau hatte das alles im Bauernhaus in Wyrypajew aufbewahrt.

Und endlich im Jahr 1921 bekamen wir den freudigsten und den beunruhigendsten Brief der Mutter:“… meine Lieben, am Samstag, den 15. nach dem alten Kalender, habe ich mich auf den Weg zu euch gemacht, zusammen mit Anna Grigorjewna. Macht nichts – das ist meine Bitte an euch. Wenn auf dem Weg etwas passiert, trauert nicht nach: eure Mutter hat viel Glück gesehen. Ich mache mich auf den Weg mit Glauben und Hoffnung auf Gott. Wenn ihr diesen Brief erhaltet, werde ich schon auf dem Weg sein <…> Das Herz ist mit Hoffnung überfüllt, euch zu sehen … „Neun bis zehn Wochen bekamen wir keine Briefe von der Mutter.“

Kinderfrau Anna Grigorjewna Buldakova mit Olga Sergejewna und einem der Söhne auf dem Landgut in Saransk

Die Mutter und die Kinderfrau hatten eine schwere Reise von vierhundert Werst auf sich genommen: Sie versteckten sich auf dem Weg, übernachteten in fremden Bauernhäusern, hatten Angst vor verdächtigen Menschen und wurden an der Grenze ausgeplündert und fast getötet. Sie gingen durch das Land, in dem die Revolution tobte, wo die Machthaber sich immer wieder abwechselten und die Einwohner oft plünderten und mordeten. Aber der tiefe Glaube von Olga Sergejewna und die Gebete der Kinderfrau wurden mit einem Wunder belohnt: sie erreichten Berlin und trafen sich dort.

Zwei weitere Umstände müssen hier erwähnt werden. Dienstlich hochgesstellte Freunde von Roman Borissowitsch in Berlin halfen der Mutter, nach Deutschland zu kommen. Wenn sie nicht geholfen hätten… wer weiß, welche Wendung ihre Reise genommen hätte? Und da ist noch ein Umstand. Als sich Olga auf den Weg machte, war sie schwer krank: sie litt unter solchen Blutungen, mit denen es unmöglich war, überhaupt an eine Reise zu denken. Doch während der Reise setzten die Blutungen glücklicherweise aus und eine starke Blutung begann wieder erst in Berlin, wo zum großen Erstaunen der Ärzte ihr ein großer gutartiger Tumor herausoperiert werden konnte.

Im Jahr 1926 heiratete Roman Borissowitsch Gul in Berlin. Von Gott gewollt, anders kann man das einfach nicht nennen, war seine Frau gebürtig aus dem Pensaer Kreis, die ebenfalls nach Deutschland ausgewandert war, Olga Andrejewna Nowochazkaja.

Mit seiner Frau Olga in der Hausbibliothek. New York, 1970-er Jahre.

Sie war zwei Jahre jünger als ihr Ehemann und adliger Abstammung. Ihr Großvater Iosif Tarassowitsch Nowochazkij, ein hoher Staatsrat, Vorsitzender der staatlichen Kammer Pensas, hatte mehrere Landgüter besessen. Der Vater Andrej Iosifowitsch (1868-1904) studierte an der medizinischen Fakultät der Kaiserlichen Universität Moskau. Nach dem Studium schlug man ihm vor, an der Universität für die Vorbereitung auf die Stelle eines Lehrstuhlprofessors zu bleiben, aber aus Berufung heraus wollte er als Landarzt arbeiten, um Menschen zu helfen. Zuerst arbeitete er in Saransk und dann – in Ramsaj. Er war in der Region bekannt.

Er heiratete Sophja Fedorowna Kamenskaja, die eine direkte Großenkelin des Grafen Fedor Petrowitsch Tolstoj war, des Präsidenten der Kunstakademie, und sie lebten zusammen auf dem Landgut der Familie Danilewski in Ramsaj. Aus dieser Ehe ging Olga Andrejewna hervor, die später eine Aufseherin im Nikolajew-Institut (Stadt Saratow) wurde. Roman Gul konnte Olga Nowochazkaja dort noch kurz kennenlernen, aber die Revolution und der Bürgerkrieg trennten die beiden, und sie bekamen nichts mehr voneinander zu hören. Als die Revolution ausbrach, waren Nowochazkis in Moskau und sie flohen sofort in den Kaukasus. Als sie dann erfahren hatten, dass die Kinder von Landärzten als nicht mehr “sozial gefährlich” galten, kehrten sie nach Moskau zurück. Unterwegs erkrankte Olga Andrejewna an einer schweren Krankheit und als sie in Moskau ankam, brauchte sie eine ernsthafte Operation. Diese Operation zur Entfernung eines Teils der Leber wurde von Dr. Cholin durchgeführt, der gemeinsam mit ihrem Vater an der Universität studiert hatte. Die Sozial- und Lebensmittelsituation in Moskau war so, dass der Arzt ihr dringend empfahl, ins Ausland zu ziehen. Zu dieser Zeit war schon die Mokschaner Gutsbesitzerin Olga Ljwowna Lasarewitsch nach Deutschland umgezogen, die Olga wie eine Tochter liebte. Alle Schwierigkeiten wurden mit deren Hilfe überwunden und Olga erhielt sogar einen von Heinrich Jagoda unterschriebenen Pass. Aber da sich Asarewitschs im italienischen Tirol niederlieβen, reiste Olga über Deutschland nach Italien und erst 1926 kam sie in Berlin an, wo sie im selben Jahr Roman heiratete.

Olga Andrejewna und Roman Borissowitsch in der gemeinsamen Wohnung in New York

Im Jahr 1933 kamen in Deutschland die Nationalsozialisten unter der Führung von Adolf Hitler an die Macht, und das Leben in der Hauptstadt wurde unmöglich. Da Gul keine Zeit hatte, Deutschland zu verlassen, passierte ihm etwas Schreckliches. Während des Kampfes gegen die für den deutschen Geist “schädliche” Literatur wurde Roman Borissowitsch verhaftet und im Konzentrationslager Oranienburg, später Sachsenhausen, inhaftiert. Nach einem Monat wurde er auf Antrag freigelassen und konnte fast ohne einen Pfennig Geld nach Frankreich fahren.

Wir werden die schöpferische Karriere und das Leben des Schriftstellers weiter nicht erzählen. Diese sind für daran interessierte Menschen ziemlich leicht zugänglich. Unsere Aufgabe bestand darin, über das Schicksal eines Emigranten aus Pensa auf der Grundlage der autobiographischen Arbeiten und seiner Memoiren zu erzählen. Ja, dieser Mann war eine konsolidierende Figur im russischen Exil, aber gleichzeitig verließ er seine Heimat als einer von vielen Russen, die aus dem blutgetränkten, moralisch verstümmelten Russland vertrieben wurden. Na ja, sie hatten ein Recht darauf. Es bleibt eine Frage über die Beziehung dieses Emigranten zu Russland und seiner kleinen Heimat – Pensa. Diese Frage erklärt Roman Borissowitsch Gul selbst.

Roman Borissowitsch in seinem Büro

“Und jetzt – in hohem Alter – nachdem ich im ausländischen Exil fast mein ganzes bewusstes Leben gelebt habe (denn was war davon in Russland: die Jugend?), verstehe ich, wie richtig, gut und tief Aleksander Herzen sagte: “Die Auswanderung ist eine schreckliche Sache. ” Aber nicht nur schrecklich, sondern auch fesselnd. Die Auswanderung, und darin besteht ihr Charme, ihre Anziehungskraft, lockt einen Menschen (wenn es ein Mensch, kein philiströser Stumpf ist) immer mit ihrer Freiheit. Und ich, nachdem ich fast fünfundsechzig Jahre im Ausland gelebt hatte, wollte ich kein Auswanderer mehr sein! Ja. Es gab natürlich schwache Momente im Auswandererleben, ganz am Anfang, als ich wieder “meine Sohlen” zum Heimatboden „kleben“ wollte. Aber sie waren sehr selten und schwach. Und dieses Heimatgefühl wurde immer in mir unterdrückt – durch das Gefühl der Freiheit. Was mag ich am meisten in der Welt? Meine Freiheit. Welche Freiheit? Eine sehr einfache. Die körperliche Bewegungsfreiheit, die es in der Heimat nicht gibt. Die geistige Freiheit, d.h. “denken und leiden”, die es in der Heimat nicht gibt. <…> Trotzdem mag ich irgendwie diese Schrecklichkeit meiner Auswandererposition. Vielleicht weil ich irgendwo in meiner Tiefe “außerhalb der Gesellschaft”, “außerhalb des Staates” sein möchte, in einer ewigen Wanderschaft sein möchte. Und egal, wie schwer diese “schreckliche Sache”, die Auswanderung, ist, und sie ist natürlich schwer; lobe ich eben sie an. In dieser Freiheit der Armut, in der menschlichen Freiheit – eben sie gab mir tiefe Glücksgefühle”, dass ich stets ich selbst war”.

Erinnerte sich der Schriftsteller an sein Pensa und liebte er es immer noch? Ja, er erinnerte sich und liebte es, aber die Rückkehr nach Pensa war für ihn undenkbar und die Erinnerungen daran wurden schmerzhaft und düster. Er hielt es kaum für seins. Er konnte nur das retten, was er in seinem Gedächtnis und in seinem Herzen von seinem Heimatland mitgenommen hatte, er konnte der Nachwelt jenen Schmerz, jenen Seelenschmerz übermitteln, die er viele Jahre lang hatte.

“Und ich würde auch an der” Erschöpfung von der Glückseligkeit” sterben, wenn ich mein Pensa sehen würde. Aber es ist unmöglich. In den Jahren der Revolution verschwand mein Pensa. Ich habe einmal ein Fotoalbum des sowjetischen Pensas bekommen. Wie haben die Machthaber dieser “internationalistischen” Partei Pensa verstümmelt und entstellt? Schreckliche Unmenschen ohne Heimat und Verwandte, die Habenichts gewesen waren, ergriffen die Macht in Russland mit Gewalt, brachten orthodoxe Kirchen in Pensa zur Explosion. Und es waren viele von ihnen, ungefähr dreißig an der Zahl, und sie dienten Pensa als eine Visitenkarte. Auf dem Domplatz stand eine majestätische, hohe schneeweiße Domkirche mit einer goldenen Kuppel und einem hohen strahlenden Kreuz. Die Domkirche wurde in die Luft gesprengt, dem Erdboden gleichgemacht. Und sie war an der Spitze Pensas. Sie erhob sich auf dem von Grün umgebenen Platz, stand an der Spitze eines Hügels: Pensa erstreckte sich auf dem großen Hügel. Zwei Klöster (das Mönchskloster und das Nonnenkloster) wurden ebenfalls zerstört. Anstelle von Antike, Schönheit und Pracht baute die “Partei” irgendwelche à la “Pensaer Corbusier”, hässliche “konstruktive” Kasernenhäuser-Kasten für Roboter. Der Charme der Stadt, ihr Stil wurde getötet. Aber sie fühlen es nicht.”

Roman Borissowitsch kehrte nach Russland nicht zurück, aber seine ganze Tätigkeit war auf das russische Thema konzentriert und durch die Liebe zur Heimat angetrieben. Er versuchte eine Enzyklopädie der russischen Emigration zu erstellen und beschrieb ihr kulturelles Leben in verschiedenen Ländern, in denen er gelebt hatte und gewesen war. Er beschrieb kulturelle Institutionen und Bibliotheken, das Schicksal der Menschen und ihr Hinscheiden. In dieser Hinsicht sammelte er eine große Anzahl von Namen, Ereignissen und verschiedenen Informationen über die Verbindungen berühmter Menschen im Ausland. Zum Beispiel, seine Erinnerungen an Sergej Jessenin. Roman Borissowitsch hat in seinen Memoiren sogar Dialoge großer Menschen und seine Gespräche mit den Großen niedergeschrieben. Dies ist das ebenjene Leben, über das wir nichts wussten, was in sowjetischen Schulen nicht unterrichtet wurde. Dies ist die Umkehrung der sowjetischen Realität, die das Erbe des großen Guls ist.

Der Schriftsteller starb am 30. Juni 1986 in New York, wo er auf dem Uspenski-Friedhof des Nowodiwejewskij-Nonnenklosters beerdigt wurde.

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